Unter Schweizer Flagge nach Flekkefjord: «Hier ist es wirklich sicher zu segeln!»
Von Till Lincke. Die in der Schweiz registrierte Segelyacht «Passage» legte am Dienstagnachmittag am Kai in Flekkefjord an. An Bord waren ein Deutscher und vier Schweizer, die von Sint-Annaland aus gesegelt waren. Die Crew war in Oslo und Kristiansand, bevor sie das schöne Hidra besuchten und segelten dann in den Flekkefjord. Sie waren gespannt, was die Stadt zu bieten hat, und hofften auf einen angenehmen Spaziergang durch Hollenderbyen und gutes Essen auf dem Tollboden. Am Mittwochmorgen segelten sie weiter nach Stavanger. «Wir mögen Sørlandet», sagt der Kapitän. «Hier lässt es sich sicher segeln, da es sich jederzeit in einer Bucht oder in einem Fjord ankern lässt, wenn schlechtes Wetter droht. Das ist zum Glück nicht passiert, im Gegenteil, wir hatten während der gesamten Reise fast nur Sonne, konnten also Natur, Bootshäuser und Ölplattformen bewundern», sagte Kapitän Till Lincke zu Adger. «Es ist fantastisch, wenn mitten in der romantischen Landschaft plötzlich eine raue Ölplattform auftaucht», sagte er. Von Till Lincke. Wie ihr inzwischen erfahren habt, haben wir uns auf einen Törnplan festgelegt, der nicht nur wie sonst üblich die seemännischen Aspekte berücksichtigt und Untiefen umschifft, sondern – erheblich nerventötender – auch die kafkaesken Covid-Regularien berücksichtigt.
Die erste Etappe startet nun Donnerstag, den 15. Juli in Sint-Annaland, einem kleinem Kaff am «Krabbenkreek» 21 Kilometer oder 26 Autominuten von Bergen-op-Zoom entfernt. Letzteres ist von Schiphol per Zug relativ einfach zu erreichen. Falls ihr zu zweit, dritt oder mehr seid, nehmt doch einen Taxi, vielleicht können wir euch auch abholen, meldet euch jedenfalls, meine Nummer ist +41-(0)79 433 59 27. Falls jemand schon am 14. oder gar 13. Juli kommen könnte, wäre er/sie herzlich willkommen Dies wäre eine willkommene Hilfe bei den Vorbereitungen (Einkäufe, Stauen etc.) und der/die Betreffende hätte Zeit, sich mit dem Schiff vertraut zu machen und sich in Ruhe einzurichten. Die Passage wird voraussichtlich neben dem Schiffskran in der nordöstlichen Ecke des Hafens liegen – ich sende euch allenfalls noch ein google-maps screenshot, damit ihr euch orientieren könnt. Von Till Lincke. Die ersten anderthalb Tage werden wir in den Binnengewässern Zeelands verbringen. Dies hat eine ganze Reihe von Vorteilen. Erstens können wir uns in ruhigen Gewässern ohne Seegang mit der Passage vertraut machen, ohne von Seekrankheit beeinträchtigt zu werden. Zweitens ist der Haringvliet ein ideales Segelrevier, wo wir uns Zeit nehmen die grundlegenden Manöver (Segel setzen/bergen; Wenden/Halsen; Man-über-Bord; Ankern etc.) in aller Ruhe und möglichst stressfrei durch zu exerzieren. Drittens bietet sich die Gelegenheit Schleusen-Protokoll zu üben und die damit verbundenen An- und Ablegemanöver. Während den Wartezeiten können wir mit der Sicherheitseinweisung beginnen. Und viertens ist das Navigieren in den engen Gewässern – vor allem durch den gewundenen Slijkgat mit unseren 3.1 Metern Tiefgang der uns in offene Meer führt – seemännisch sehr anspruchsvoll. Die erste Nacht werden wir im Haringvliet vor Anker verbringen, eine leckere Mahlzeit zubereiten, aktuelle Seewetterberichte studieren und dementsprechend die Routenplanung für die nächsten Tage besprechen.
Haben wir die Sandbänke des Slijkgat hinter uns wären es auf der Diretissima-Route bis Amsterdam nur noch ca. 60 Seemeilen, aber vergesst nicht, die südliche Nordsee ist mit tückischen Hindernissen gespickt, seien es Windparks, Reeden mit vor Anker schwojenden Frachtern, zudem erratisch herumkurvende Fischerboote, nebst Sandbaggern, Lotsenbooten und dann noch der eine oder andere, der wie wir bloss zum Vergnügen herumkurvt. In finsterer Nacht und einer Mütze voll Wind kann das ganz schön anspruchsvoll sein. Vor allem das Kreuzen des Maasgeuils, die auf 24.6 Meter Tiefe ausgebaggerte «Anflugschneise» für die Rotterdam anlaufenden Supertanker ist streng reguliert und muss mit dem Traffic Center Hook of Holland auf VHF abgesprochen werden. Falls Wetter und Wind uns hold sind und ihr Lust auf Meilensammeln habt, können wir entweder einen Zwischenstopp in Scheveningen, dem Yachthafen von Den Haag, einlegen oder – aber dazu muss wirklich alles passen – einen Abstecher nach Den Helder einschieben. Von Ijmuiden bis Amsterdam gilt es wieder eine Schleuse zu passieren und dann folgen noch ca. 14 Seemeilen enger Kanal indem wir bestenfalls unter einem Vorsegel dahingleiten können. Vermutlich werden wir in der Amsterdam-Marina (52°24.1'N/004° 53,2'E) mitten in der Stadt liegen. Wir haben jedoch noch nicht reserviert, müssen wir noch abchecken. Von Till Lincke. Die ersten 15 Seemeilen Kanalfahrt von Amsterdam bis Ijmuiden legen wir bei günstigen Winden unter Segel zurück und geben uns Gelegenheit die Sicherheitseinweisung zu absolvieren und uns mit der Handhabung der «Passage» auf Tuchfühlung zu gehen. Nach der Schleusung bei Ijmuiden nehmen wir Kurs Nord um durchs «Schulpengat» die stark befahrene Passage zwischen Texel und dem Marinehafen Den Helder aufs Korn zu nehmen. Ob unser nächstes Ziel Terschelling oder gleich Helgoland sein wird, machen wir – unter Berücksichtigung von Wind und Wetter – von den Wünschen, Lust und Laune der Crew abhängig.
Von Till Lincke. Bis zur Einfahrt in den Nordostseekanal bei Brunsbüttel werden wir gegen die Strömung der Elbe ankämpfen und mit flinken Manövern den grossen Pötten aus dem Weg gehen. Die 50 Seemeilen im Kanal – vielleicht erlaubt uns ein günstiger Wind das lautlose dahingleiten und kleiner Besegelung – geben uns nicht nur die Gelegenheit Manöver, Schiffstechnik und Seemannschaft zu besprechen, sondern auch die Route von Kiel nach Kopenhagen und die möglichen Zwischenziele zu evaluieren.
Von Till Lincke. Bis Oslo sind es – kreuzen und widrige Winde eingerechnet – sicherlich 350 Seemeilen, aber wenn wir einen oder zwei Nachtschläge (die Sommernächte im Norden sind kurz!) einschalten, werden wir auch Göteburg einen Besuch abstatten und/oder mehr Zeit in den seemännisch anspruchsvollen Fjorden südlich von Oslo verbringen können.
Von Oslo bis Kristiansand wäre es nur ein Katzensprung, aber die zerklüftete Küste mit ihren unzähligen Inshore- Passagen und Fjorden sind seglerisch zu verlockend, um einfach daran vorbeizurauschen. Allerdings darf man diese Exkursionen nicht auf die leichte Schulter nehmen, Segeln in engen und mit Riffen gespickten Gewässern mit wechselnden und böigen Winden erfordert eine seriöse Seemannschaft.
Im Skagerak trifft die mörderische Nordsee auf die gesittete Ostsee und über dieser erzwungener Vermählung hängen dunkle Wolken. Es ist kein Zufall, dass vor dem südwestlichen Busen Skandinaviens eine Häufung von Monsterwellen registriert wurden. Deswegen gilt es hier die Wetterprognosen sehr, sehr eingehend zu studieren und für jede Eventualität eine sichere Option in petto zu haben.
Diese Strecke bin ich vor ein paar Jahren auf dem Weg nach Spitzbergen gesegelt und sie ist mir bis heute als eine der landschaftlich schönsten und seglerisch anspruchvollsten in Erinnerung geblieben – meistens inshore, in von
Wellengang geschützten und engen Gewässern, die unzählige Wenden und Halsen erfordern, zudem viel Verkehr, sei es Berufsschiffahrt oder die Unzahl von Freizeitseglern, mit denen wir uns seglerisch duellieren können. Von Stavanger bis zu unserem Winterlager in Holland sind es mindestens 500, realistisch 600 bis 650 Seemeilen. Es kann gemütlich oder rauschend sein, möglicherweise aber auch sehr rauh. Somit ein Törn für Leute, die viel Seemeilen sammeln wollen und bereit sind, dafür eventuell auch «Blood, Sweat and Tears» zu bezahlen. Wir können nicht garantieren, dass wir rechtzeitig ankommen. Womöglich müssen wir auch abwettern, beidrehen oder einen Fluchthafen ansteuern. Bei eurer Terminplanung, Flugbuchung berücksichtigen.
1. Etappe 15.07.–18.07.21: Amsterdam – London Wir erwarten die Crew am Donnerstag, den 15. Juli 2021, in der Amsterdam-Marina (52°24,2'N 004°53'E) und legen die 13 Seemeilen bis Ijmuiden unter kleiner Besegelung – oder bei ungünstigen Winden unter Motor – im Nordseekanal zurück. So haben wir Gelegenheit uns mit der Passage vertraut zu machen, die Sicherheitseinweisung zu absolvieren und das Manövrieren in den Schleusen vor Ijmuiden zu praktizieren. Zudem werden wir unter Berücksichtigung der aktualisierten Wetterprognosen die seemännsch sehr anspruchsvolle WSW-Überquerung der Nordsee in Richtung Themsemündung planen. «Nordsee ist Mordsee» heisst es nicht zu Unrecht, nicht nur aufgrund der unzähligen Hindernisse (Windfarmen, erratisch herumkurvende Trawlers, die «Autobahnen» der Grossschifffahrt etc.) sondern auch weil es bei Starkwind aus West an der gesamten holländischen Westküste zwischen Belgien und Texel ausser Rotterdam keinen sicheren Fluchthafen gibt. Falls uns die Wettergötter hold sind, was im Sommer in der Regel der Fall ist, werden wir von Ijmuiden aus die 120 Seemeilen (Luftlinie) von Ijmuiden bis zur Themsemündung in der Nacht zum Sonntag zurücklegen. Die Themsemündung, ein Dreieck mit ca. 40 Seemeilen Seitenlänge (siehe Seekartenpic), ist nebst Offshore-Windparks mit Sandbänken gespickt und wird – insbesondere wenn Strom gegen Starkwind steht – von der britischen Segel-legende Robin Knox-Johnston als eines der weltweit tückischsten Seegebiete eingestuft. Belohnt wird man durch spannendes und anspruchsvolles Segeln und den Anblick der monströsen Geschütztürme aus dem II-Weltkrieg (siehe pic und Wikipedia: «Shivering Sands»). Bei Southend-on-Sea, wo die Mündung in den Flusslauf übergeht, werden wir vermutlich ankern und uns ausgiebig mit Speis und Trank verköstigen, um dann bei Flut das einlaufende Wasser zu nutzen, das in Springzeiten mit bis zu 3 Knoten flussaufwärts strömt!
Falls uns keine Flaute einen Strich durch die Rechnung macht, werden wir die 30 Seemeilen bis zur Thames-Barrier unter Segeln zurücklegen – wir haben uns auf dieser Strecke einst mit 55 Wenden abgerackert und uns am Coffegrinder einen zünftigen Muskelkater eingeholt. Das Highlight dieses Törns ist sicherlich der Tag und die Nacht auf Samstag, die wir im Herzen Londons in der historischen St.-Katherine-Marina verbringen werden, wenige Meter von der Tower-Bridge entfernt. 2. Etappe 18.07.–24.07.21: London – Cowes Die Crew trifft am Samstag, den 17. Juli oder spätestens am Sonntagmorgen in London's St-Katherine Marina ein. Das Auslaufen richtet sich nach der Tide der Themse, da sich die Schleusentore nur eine Stunde vor bis einer Stunde nach dem höchsten Tidenstand bei der Tower-Bridge öffnen lassen. Bei Springzeit beträgt der dortige Tidenhub über 5 Meter und der Fluss fliesst mit bis zu 3.5 Knoten aufwärts! Die kippende Tide, die Strömung der Themse und der Wind – falls er uns keinen Strich durch die Rechnung macht – werden uns mit einer schnellen, aber auch sehr anspruchsvollen Seglerei im engen, und gegen die Mündung auch von der Grossschiffahrt frequentierten Fahrwasser belohnen. Das Abkreuzen im Fluss ist heikel, da beim Abkreuzen der seitlich Stromversatz einkalkuliert werden muss (siehe für Themse und Themsemündung auch den Beschrieb für die vorgängige Etappe Amsterdam – London). Nach ein paar Stunden und ca. 40 «Flussmeilen», auf der Höhe von Southend-on-Sea angelangt, wird die Tide gekippt sein und anstatt gegen sie anzukämpfen, wird es Sinn machen, ein Stück den River Medwey hinaufzusegeln und allenfalls vor Anker die Nacht zu verbringen. Nachdem wir uns via Queens-Channel durch das Sandbank-Labyrinth der Themsemündung (siehe Törn 1) geschlängelt und die Offshore-Windparks umrundet haben, werden wir nach Süden abdrehen und den östlichen Eingang des Ärmelkanals ansteuern.
Hier kreuzt sich eine der weltweit am dichtestens befahrenen Routen der Grossschiffahrt mit den Fähren die Dover und Calais verbinden. Hinzu gesellen sich wild herumkurvende Fischer-, Lotsen- und Polizeiboote. Schwierig und anspruchsvoll, aber auch der ideale Spielplatz um die in der Theorie geübte Handhabung von Radar, AIS und VHF in die Praxis umzusetzen. Bei schlechter Sicht oder gar bei Nacht sollte man das nur bei moderaten Wetterbedingungen tun. Nun haben wir noch gut 110 Seemeilen im Kanal vor uns bis wir die Isle of Wight backbord querab haben und uns durch das englische Seglermekka bis zu unserem Ziel, die Marina von Cowes durchschlängeln. 3. Etappe 24.07.–31.07.21: Cowes – Scilly-Islands – Cardiff Nachdem der Schiffs und Sicherheitseinweisung am Samstagnachmittag verbringen wir den Sonntag mit Manöverübungen im Solent. So machen wir uns mit der Passage und ihren vielfältigen Trimm-Möglichkeiten vertraut. Sonntags wimmelt es im Solent von Segelbooten von der Jolle bis zum High-Tec-Racer und irgendwo dazwischen werden wir jemand finden, mit dem wir uns zum Spass duellieren können. Der Solent gilt aufgrund der Strömungs- und Windverhältnissen zurecht als extrem anspruchsvoll. Beachtet werden müssen auch die spezifischen Vortrittsregeln, die die Grossschiffahrt hier beansprucht. Je nach Wetterlage verbringen wir eine weitere Nacht in Cowes oder in Portsmouth oder laufen direkt via den berühmt-berüchtigten Needles-Channel Richtung Westen aus. Zwischenziel und ein weiterer Höhepunkt dieser Etappe sind die Isles of Scilly, auf die ich mich besonders freue, weil sie für mich Terra-Incognita sind. Ich bin x-mal daran vorbeigesegelt, habe ihre spektakuläre Schönheit aus der Ferne bewundert, weiss aufgrund von Pilotbooks und Seekartenstudium, dass sie ein halbes Dutzend geschützte Ankerplätze bieten, obwohl ihre Gewässer mit unzähligen felsigen Untiefen gespickt sind. Hier möchte ich zumindest einen Tag, vielleicht auch zwei verbringen, sodass wir auch unsere zwei Doppelkajaks einsetzen können oder den einen oder anderen Berg ersteigen können. Die restlichen 120 Seemeilen in Richtung Nordnordost nach Cardiff scheinen unproblematisch und sind es in der Regel auch, aber man darf nicht vergessen, dass der sogenannte Bristol-Channel – das Seegebiet, das sich gen Osten trichterförmig verengt – bei Sturm aus West mangels Fluchthäfen zur tödlichen Falle werden kann. So geschehen beim Fastnet-Race von 1979, bei dem mehrere Segler ihr Leben verloren haben. Deswegen werden wir uns bei unsicherer Wetterlage, insbesondere wenn ein Tief droht nördlich von uns durchzuziehen, nicht in diesen Trichter hineinwagen und anstelle von Cardiff Milford-Haven ansteuern und den Crew-Wechsel dort abwickeln. 4. Etappe 31.07.–07.08.21: Cardiff – Isle of Man – Glasgow Zwischen Irland und entlang der Küste von Wales segeln wir auf die Isle of Man zu, eine Insel von malerischer Schönheit, besiedelt von philosophierenden Speed-Maniacs, die jedes Jahr die «Tourist-Trophy», das verrückteste Motorradrennen der Welt veranstalten. Je nach Lust und Laune werden wir der Insel einen kurzen Besuch abstatten oder vielleicht auch zwei Nächte vor Anker dort verbringen. Durch den südlichen Eingang des North-Channels lassen wir Belfast an Backbord liegen und stossen in den Firth of Clyde vor. Falls uns noch Zeit bleibt kreuzen wir die stillen Gewässer des Loch Striven hoch und verbringen noch eine Nacht vor Anker an dessen wunderschönen Nordende (56°00,2'N 005° 07,4'W). Zurück sind es dann nur noch 16 Seemeilen bis zur Kip-Marina (55°54,6'N 004°52'W), die ich vor etwa 10 Jahren zuletzt besucht habe. Damals gab es noch keine brauchbare Marina in Glasgow selbst, scheint sich geändert zu haben, wäre ideal für den Crewwechsel, müssen wir noch abklären.
5. Etappe 07.08.–14.08.21: Der Whisky-Törn Glasgow – Oban Die Diretissima von Glasgow nach Oban – südwärts durch den Firth of Clyde, rund um die Halbinsel Kintyre, dann nordwärts durch den Jura-Sound – wären bloss 160 Seemeilen. Dies ermöglicht uns einen grossen Freiheitsgrad in der Route. Je nach Wind, Lust und Laune kreuzen wir sportlich in den windigen aber von Wellen geschützten Gewässern der
Inseln Islay, Jura und eventuell Mull umher. Die zerklüftete schottische Westküste ist mit ihrer Inselwelt ein Seglerparadies und bietet im Unterschied zur Ostküste auch jederzeit Wind und Wellengeschützte Ankerplätze. Das seemännisch schwierigste Stück dieser Etappe ist der North-Channel, die Umrundung der Südspitze von Kyintyre, wo sich bei Wind aus Nordwest gegen Strom eine höllische See mit stehenden Wellen aufbaut, während uns an Backbord die Verlockungen der Whisky-Inseln Islay und Jura in Versuchung führen – so à la Odysseus zwischen Skylla und Charybdis. Bisher mussten wir jedoch noch kein Crewmitglied an den Mast fesseln. 6. Etappe 14.08.–21.08.21: Oban – Hebriden – Kirkwall (Orkney Island) Diese Etappe lässt sich in drei Teilstücke mit unterschiedlicher Charakteristik aufgliedern. Von Oban bis zur Nordspitze von Lewis schützen uns die Hebriden, danach bis zur Westküste der Orkneys, setzen wir uns den langen Wellen des Atlantiks aus (ausser wir beschliessen zwischen Ensay und South Harris zu einer der aussenliegenden Inseln wie Taransay (57°53,5'N 007°02,5W) vorzustossen). Dort finden wir nämlich wunderschöne Sandstrände, die an die Karibik erinnern. Mit dem Unterschied, dass man kaum ins Schwitzen gerät.
Das anschliessende Stück, die knapp 100 Seemeilen Ostnordost bis zu einer der möglichen Pforten zu des Orkney-Archipels – vermutlich zwischen Rousnay und Westray – müssen wir mit achterlichen Wellen rechnen, die sich tausende von Atlantik-Meilen aufgebaut haben, aber gottseidank schon ca. 50 Seemeilen weiter westlich – somit achterlich von uns – über den ansteigenden Grund gestolpert sind. Somit können wir in der Regel sehr schönem, entspanntem Vorwindsegeln geniessen, müssen aber auch mit anstrengendem Aufkreuzen rechnen, falls ein bösartiges Tief südlich von uns über die britischen Inseln fegt. Die dritte Etappe – von der Eingangspforte im Nordwesten der Orkneys bis Kirkwall – hängt davon ab, wieviel unserer kostbaren Zeit wir in den Hebriden verbracht haben. Ich hoffe, wir können noch ein paar Haken schlagen, aber selbst wenn wir «direkt» nach Kirkwall segeln, werden wir eine Kostprobe von den seemännischen Tücken der Orkney's kosten, die dieses Archipel zu bieten hat (siehe 7. Etappe). 7. Etappe 21.08.–28.08.21: Kirkwall – Kirkwall (Orkney Ilsands) Über den landschaftlichen Reiz der Orkney's will ich keine Worte verlieren. Die könnt ihr dank dem Internet selbst nach eurem Gusto beurteilen. Was ihr im Netz kaum findet ist die Erkenntnis, dass das Segeln in dieser Inselgruppe sehr dem Schachspiel gleicht: – es fordert die Stirnrunzel-Muskulatur mehr als die Bizeps. Warum? Weil die Routenplanung aufgrund der extremen Strömungsverhältnissen in den Engpässen zwischen den Inseln sehr aufwendig ist. Beispiel: Wollen wir Shapinsay im Uhrzeigersinn umrunden und starten zum Zeitpunkt X in Kirkwall in nördlicher Richtung damit wir den kritischen Engpass beim Vasa Point (59°03,1'N 002°55,5'W) bei stillem Wasser passieren (Zeitpunkt y), laufen wir dann z Stunden später beim südlichen Kap von Shapinsay in den Tide-Rip-Hammer? Was machen wir, wenn wir länger brauchen? Wo könnten wir bei den herrschenden Wind und Wellenverhältnissen ankern? Wäre es vernünftiger Shapinsay im Gegen-Uhrzeigersinn zu umrunden? Ist die Crew schon mit dem Schiff vertraut und ausreichend kompetent, ein Manöver notfalls unter Zeitdruck fehlerfrei durchzuführen?
8. Etappe 28.8.–04.09.21: Kirkwall – Amsterdam (Sint-Annaland?) Ein Hardcore-Törn für Seebären, die ein paar Tage und Nächte auch bei schwierigen Bedingungen auf See verbringen und Meilen abspulen wollen. Und dies in der Nordsee, vielleicht das seemännisch anspruchvollste Gewässer der Welt. Im Unterschied zur schroffen und zerklüfteten Westküste ist die Ostküste Grossbrittaniens tückisch. Sie kann bei Sturm aus Ost mörderisch sein, weil dann kaum einer der wenigen Häfen anzulaufen ist. So sind schon hochseetüchtige Fischerboot beim Einlaufen in Aberdeen zerschellt, weil sich die Wellen beim ansteigenden Grund vor der Hafeneinfahrt brechen. Wir sind allerdings mit unserem Schiff für Legerwall-Situationen gut gerüstet. Die Passage ist für schwerstes Wetter konzipiert und kann sich auch bei schwerem Wetter freisegeln. Abgesehen von erratisch herum zirkelnden Fischerbooten ist dieses Gewässer mit Ölplattformen gespickt und dem damit verbundenen Traffic von Supply-Vessels. Zudem die Offshore-Windparks und weiter südlich müssen wir die von der Grossschiffahrt benutzen Traffic-Separation-Zones vorschriftsgemäss kreuzen. All dies ist in stockfinsterer Nacht sehr anspruchsvoll und gibt der Crew Gelegenheit mit AIS, Radar und ship-to ship-communication vertraut zu werden. Falls das Wetter uns keinen Strich durch die Rechnung macht, sollten wir in der Lage sein, in Ijmuiden am 4. September einzulaufen, von wo Schiphol problemlos per Taxi oder Zug erreichbar ist. Wer Zeit hat – und wir wären froh darum – kann uns aber kostenfrei helfen, die Passage in ihre Winterlager in Sint-Annaland zu überführen. Diese letzten Meilen sind sehr vielfältig, weil erstens der Maasgeul, die extrem frequentiert Zufahrtsrinne nach Rotterdam gekreuzt werden muss, zweitens weil die Navigation durch den Slijkgat, die sich ständig verändernde Zufahrtsrinne durch die trockenfallenden Sandbänke vor Stellendamm, sehr anspruchsvoll ist, und drittens weil die zweitägige Fahrt – unter Segel und Motor – durch die holländischen Binnengewässer bis Sint-Annaland (51°36.2'N 004°06,5'E) mit ihren unzähligen Schleusen und Hebebrücken viele Herausforderungen bietet. Wir werden in diesem und den folgenden Blogs die komplette Revision des Antriebs-Stranges von unserer 2019 neu installierten Maschine (D2-75 von Volvo-Penta) über das Getriebe (Vor- und Rückwärtsgang), den Constant-Velocity-Joint, das Drucklager, die Stopfbüchse (die verhindert, das Seewasser ins Boot dringt), die beiden Cutlass-Bearings, Ausgang Rumpf und im Wellenbock, die die Welle führen, bis zum Propeller. Ich werde aber das Pferd von hinten aufzäumen und in dieser ersten Folge bloss die Installation unseres brandneuen Propellers (Varioprop DF 112 4-Blatt) des Bremer Spezialisten SPW ([email protected]). Die Revision der weiteren Komponenten des Antriebs-Stranges folgt dann in weiteren Blog-Beiträgen. Wir haben uns für den vierblättrigen DF 112 mit 53.3 cm Durchmesser entschieden, weil wir mit dem Vorgängermodell, einem dreiblättrigen DF 112 sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Letzterer hat uns seit 2003 über ca. 150’000 Seemeilen – davon schätzungsweise 40’000 sm unter Maschine – klaglos treue Dienste geleistet. 2019 haben wir uns entschlossen, ihn zu ersetzen, weil die Propellerflügel arg Spiel aufwiesen. Kein Wunder: Öfters hat er an der von Packeis heimgesuchten Küste Ostgrönlands Packeis geschreddert, manchmal sogar Growler, Bruchstücke von Eisbergen, die sich so unglücklich unter den Rumpf geschoben hatten, dass sie in den Drehkreis des Propellers gerieten. Trotz allem hat er sich mit jährlichem Abschmieren begnügt, dank dem Schmiernippel eine Sache von wenigen Minuten, und haben ihn, entgegen der Empfehlung von SPW niemals zur Inspektion/Revision eingesandt. Unter Segel dreht der Varioprop zunächst mit, bis die rotierende Welle bei 2–3 Knoten Fahrt durch Einlegen des Rückwärtsganges blockiert wird. Dadurch drehen sich die Propellerblätter um ihre Achse in die Strömung und setzen so der Fahrt praktisch keinen Widerstand mehr entgegen. Wir haben bei unserer 17 Tonnen schweren 18-Meter Yacht bei leichten bis mässigen Windstärken Fahrtunterschiede von 0,5 bis 0,7 Knoten gemessen. Im Unterschied zu den gängigen Faltpropellern, die in der Regel an Saildrive-Units montiert sind, und deren Propellerflügel sich unter Segel tulpenförmig zusammenschliessen, sodass sie sich im Rückwärtsgang erst bei hohen Tourenzahlen dank der Zentripetalkraft öffnen, entwickelt der Varioprop im Rückwärtsgang den gleichen oder sogar noch besseren Schub – wie der erste Gang bei einem Auto – da die Steigung Vorwärts und Rückwärts unabhängig und praktisch stufenlos eingestellt werden kann. Wir haben uns in Absprache mit SPW für eine Steigung von 17" vorwärts und 15" rückwärts entschieden. Wir haben gottseidank (ansonsten müsste ich darüber auch noch schreiben) kein Bugstrahlruder und satter Schub rückwärts bei niedriger Fahrt durchs Wasser ist besonders hilfreich, falls ein Anlegemanöver bei starkem ablandigen Wind zackig gefahren werden muss und das Schiff rechtzeitig abgestoppt werden muss, im Idealfall bevor es in den Steg oder ins benachbarte Boot kracht. Bevor wir uns der Montage des Propellers zuwenden, muss die Welle auf Schlag geprüft werden –
also checken, ob sie krumm ist. Und noch vorher muss in einem mühseligen und zeitraubendem Prozess alles Unterwasser-Ungeziefer, Algen, Muscheln und sonstiges Getier mittels Bohrmaschine und Bürste entfernt werden, wenn möglich ohne Kratzer oder gar Schleispuren an der Welle zu hinterlassen. Zum Prüfen der Welle benötigt man zwei präzise V-förmige Lagerböcke und eine Messuhr, wie im Video auf Facebook gezeigt. Wir haben bei unserer Welle (Länge ca. 3 Meter, Durchmesser 40 mm) einen minimalen Schlag zwischen 50 und 80 Mikrometer gemessen (5 bis 8 Hunderstelmillimeter), somit unter dem Zehntelmillimeter, der für eine Welle dieser Dimension akzeptabel ist. Wie der amerikanische Boots-Reparatur-Papst Nigel Calder in seiner Segler-Bibel «Boatowners
Mechanical and Electrical Manual» (ISBN 978-0-7136-7226-8) postuliert, gibt es bezüglich Unterhalt und Wartung der unzähligen Systeme einer Segelyacht ein breites Spektrum zwischen zwei extremen Positionen: Einerseits die devote Befolgung der vom Hersteller vorgeschriebenen Wartungsintervalle (und legt sich in falscher Sicherheit wiegend beruhigt schlafen, nichtsahnend von den Konvulsionen die sich in den Eingeweiden der Maschinerie zusammenbrauen) oder anderseits ein quasi-hypochondrische Obsession mit den Geräuschen, Vibrationen, übermässiger Erhitzung, ungewohnten Gerüchen und ja, selbst mit Geschmäckern. Ich kenne mechanophile, die bei der Kontrolle des Oelstandes einen Tropfen des Schmiermittels auf der Zunge verkosten und so Verbrennungsrückstände identifizieren, die wiederum auf defekte Kolbenringe oder ausgelatschte Zylinderbohrungen hinweisen (weil die Verbrennungsrückstände des verpufften Diesels zwischen Kolben und Zylinderwandung in das Kurbelgehäuse eindringen und das Schmieröl kontaminieren). Wie man sich zwischen diesen beiden Extremen positioniert hängt von drei Faktoren ab: Erstens vom technischen Know-How, über das man verfügt; zweitens von der Finanzkraft und drittens vom Charakter der Segeltörns, die man unternimmt. Bewegt man sich auf einer Charteryacht in Reichweite von fachkundigen Werften, muss man sich lediglich um Probleme kümmern, die ein Havarie zur Folge haben könnten. Ich würde aber empfehlen, nebst der obligaten Sicherheitsausrüstung Keilriemen, Impeller, Diesel Fein- und Grobfilter nebst Werkzeugkoffer inklusive Voltmesser mitzunehmen. Sehr hilfreich, selbst für mechanisch Unbedarfte ist das mitführen des oben erwähnten Werkes (gibt’s inzwischen auch als e-book) von Nigel Calder, zudem den Besuch eines Wochenende-Motorenkurses oder noch besser, einmal auf einem unserer 18-Meter Yacht Passage als Crewmitglied im Nordatlantik und/oder Arktis anzuheuern: Dort hat man dann garantiert Gelegenheit sich ankündigende Probleme rechtzeitig zu identifizieren und Defekte, die zu Vezögerungen oder gar Abbruch eines Törns zwingen könnten, zu vermeiden. Wir vom Segelverein Mare-Incognita, seit 2014 in der Arktis unterwegs, können uns dies nicht leisten, da wir an einen fixen Törnplan, der uns alle zwei- oder drei Wochen einen Crew-Wechsel zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Hafen oder Ankerplatz aufzwingt, gebunden sind. Wie jedes Mal, wenn das Auslaufen mit Ziel Ostgrönland bevorsteht, ist mir bange. Und dies, obwohl wir in den letzten Jahren mit unserer 18-Meter-Segeljacht «Passage» Abertausende von Seemeilen in arktischen Gewässern zurückgelegt und letztes Jahr bei Spitzbergen den 80. Breitengrad übersegelt haben – für ein paar Tage befand sich kein anderes Segelboot so nahe am Nordpol! Aber die Ostküste Grönlands gilt als mörderisch, weil sie von Packeis gesäumt ist und die Fjorde der unzähligen Gletscher gelegentlich von derart heftigen Föhnstürmen heimgesucht werden, dass die Häuser mit Spanngurten im Boden verankert werden müssen.
Von den knapp 60 000 Grönländern sind nur 2000 bis 3000 im Osten ansässig, verteilt auf die zwei Ortschaften Tasiilaq und das 450 gastfreundliche Seelen zählende Ittoqqortoormiit. Letztere verfügt sogar über einen Supermarkt, der regelmässig – sprich zweimal im Jahr! – beliefert wird. Die Mannschaft Am Samstag trifft die neue Mannschaft ein. Leonie Schmid und Diane Seda, die sich ihre Sporen als Skipperin und First Mate verdienen, kenne ich schon. Die anderen Crewmitglieder sind mir noch unbekannt. Sie machen erst mal lange Gesichter, als sie die spartanische Einrichtung einer Rennjacht erblicken, ihre Kojen, in denen sie wie Sardinen übereinandergestapelt schlafen sollen. Die «Passage» ist kein schwimmendes Wohnzimmer, sie ist ein Ocean Racer, 1989 aus starkem Aluminium für das Whitbread Round the World Race gebaut – eine Maschine, um Stürmen zu trotzen und die Crew möglichst schnell und dennoch sicher über die Weltmeere zu tragen. Unter weiblichem Kommando Ostgrönland wird nur extrem selten angelaufen. Und meines Wissens sind wir die erste Segeljacht überhaupt unter weiblichem Kommando. Leonie und Diane, 27- und 28-jährig, sind selbst zusammengezählt noch ein gutes Jahrzehnt jünger als ich. Selbstverständlich werde ich ihnen bei Bedarf mit Rat beistehen, notfalls auch mit Tat, aber Letzteres erst, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht. Leonie ist am Zürichsee aufgewachsen – von Kindsbeinen an mit der elterlichen Jacht vertraut, in der Jugend Regattaseglerin – und hat das Gefühl für den Wind im Blut. Sie beginnt zu jauchzen, sobald der Wind an Stärke zulegt. Diane, Tochter eines US-Amerikaners und einer Iranerin, aufgewachsen in der Schweiz, ist letztes Jahr in Norwegen bereits mit uns gesegelt und kommt gerade von einer mehrmonatigen Mission auf einem norwegischen Segelschiff als Forscherin und Co-Skipperin zurück. Durch die Dänemarkstrasse Bevor wir in Reykjavik ablegen, müssen wir noch 500 Liter Diesel bunkern, um die Heizung, den Stromgenerator, den Wassermacher und bei Flaute auch den Motor zu versorgen. Zudem zwei Autoladungen Lebensmittel. Für die nächsten Wochen werden wir autark sein – ein abgeschlossenes Universum –, eingeschlossen in einer 18 Meter langen und 5 Meter breiten Aluminiumbüchse. Wir sind seit nunmehr zwei Tagen auf See und befinden uns auf 67 Grad Nord / 28 Grad West mitten in der sogenannten Dänemarkstrasse, als von Südwesten her ein kleines, aber bösartiges Tief aufzieht und uns zu einem Abstecher entlang der isländischen Küste zwingt. Ein überhastetes Anlaufen der grönländischen Küste hätte unseren Untergang bedeutet. 150 000 Tonnen Packeis strömen jede Sekunde entlang der grönländischen Küste Richtung Süden. Dazu kommen die monströsen Eisbrocken, die bei Gletscherabbrüchen ins Meer stürzen. Von Wind und Wellen getrieben, hätte das Eis unsere Jacht zermalmt wie ein Weizenkorn zwischen zwei Mühlsteinen. Aber dank dem unfreiwilligen Abstecher ist unser Timing perfekt: Als die ersten Eisberge vor der wilden Kulisse der grönländischen Küste auftauchen, ist der Sturm, der uns in Windeseile über die Dänemarkstrasse getragen hat, abgeflaut. Sicher vor Anker Einen sicheren Hafen gibt es im Osten Grönlands nur bei Tasiilaq, südwestlich von uns. Der Rest der 3000 Kilometer langen Küste ist nur unvollständig und häufig gar falsch kartografiert. Letztes Jahr sind wir gemäss Seekarten beispielsweise meilenweit über Land gesegelt und haben in 80 Metern Höhe an einem Berghang geankert! Und jetzt wären wir um ein Haar an einem Riff zerschellt, das auf keiner Seekarte verzeichnet ist – eine Felsnadel, die steil aus der Tiefe bis knapp unter die Oberfläche reicht und deren weiss schäumende Brandung kaum von den vielen Growlern (Eisbrocken von der Grösse eines Autos ) zu unterscheiden ist. Dank der Aufmerksamkeit des Rudergängers und der Geistesgegenwart der Crew, die blitzschnell eine Notwende einleitete, konnten wir unversehrt eine Position anlaufen, an der gemäss dem aktuellen britischen Seehandbuch die siebte Thule-Expedition im August 1931 einen geschützten Ankerplatz gefunden haben soll. Im Osten Grönlands ist die Zeit stehen geblieben. Wir aber werden nächstes Jahr wieder von Holland aus Richtung Grönland aufbrechen, via Schottland, Hebriden, Färöer und Island. Erschienen im SWISS MAGAZINE Dezember/Januar 2019/20. Text: Till Lincke Wir haben einen neuen Ankerplatz entdeckt. «Entdeckt» ist ein bisschen zu hoch gegriffen, denn gemäss den britischen «Admirality Sailing Directions» (Auflage 2013) über die Arktis hat dort schon die «7th Thule-Expedition from 1937» schon einmal guten und vor grösseren Eisbergen geschützten Ankergrund gefunden – eine kostbare Rarität an der wilden Küste Ostgrönlands.
Unser Timing war spot-on. Wir sind in Island früh genug gestartet, sodass wir die günstigen raumen Winde nutzend, rasant Westen machten, und spät genug, um dem auf die Küste prallende Tief Zeit zu lassen, um sich auszutoben. Als die von Gletschern zerklüftete und von der Abendsonne beschienene Küstenlinie am Horizont auftauchte, war der Wind zu einer sanften Brise abgeflaut, die das Schiff über eine sanft steigende und fallende 'alte See' trugen. Der vergangene Sturm hatte auch das gefürchtete Packeis (das auf Wind reagiert) weggeblasen, sodass nur noch die mächtigen Eisberge (die aufgrund ihres gewaltigen Tiefgangs von der Strömung getragen werden) übrigblieben sind, die sich 'leicht' umfahren liessen. 'Leicht' in Anführungszeichen, weil sich eine Segelschiff nicht so leicht wie Auto steuern lässt, vor allem, wenn man wie wir, einen 145 Quadratmeter grossen Code-Zero fährt, der bei jeder durch das Labyrinth der Schollen und Eisberge erzwungenen Wende ein- und ausgerollt werden muss.
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