Von Pascal Keel (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting) Alles beginnt etwa zwei Monate vor dem Törn, als ich realisiere, dass mit der norwegischen Westküste zwar ein wunderschönes Revier mit extrem vielen Inseln und Fjorden vor uns liegt, wir jedoch kaum Zeit finden werden, all dies wirklich zu geniessen. Denn für die rund 300 Seemeilen lange Strecke haben wir gerade mal eine Woche Zeit.
Ich beginne zu rechnen. In den Fjorden kann ich nicht mehr als 5 Knoten Fahrt erwarten. Hell ist es nur von 7 bis 19 Uhr. 300 Meilen durch 10 Stunden, das ergibt sechs Tage Fahrt ohne Unterbruch, damit wir am Freitagabend rechtzeitig in Stavanger sind. Kommt für mich nicht in Frage. Die Gegend ist zu schön, um einfach nur an ihr vorbei zu schippern. Also schmiede ich einen kühnen Plan: Ich will samstags mit dem prognostizierten Nordwind so früh wie möglich auslaufen und gleich bis nach Fedje durchsegeln. Fedje liegt etwa auf halber Strecke. So könnten wir danach mehr Zeit in den Fjorden verbringen und auch Landgänge machen. Ein allzu kühner Plan vielleicht? Die Realität ist: Wir laufen erst um 21 Uhr aus. Wenn sechs von sieben Crewmitgliedern neu dazu stossen, gibt es vorerst viel zu verstauen und zu verstehen. Ablegen und Segelsetzen klappen gut, der Wachplan scheint zu funktionieren. Vorerst jedenfalls. Denn nach rund zwei Stunden kommen die ersten Wellen; es sind Dreimeterberge angesagt. Die Seekrankheit schlägt sofort zu, zwei Crewmitgliedern geht es schlecht. Ich habe die Situation ganz offensichtlich unterschätzt. Ohne Angewöhnung gleich auf eine lange Etappe zu starten, das geht wohl nicht. Kurz vor Schichtwechsel entscheide ich mich deshalb für Plan B: Wir werden nach 20 Seemeilen schon ankern. Der Motor soll uns helfen, aus dem Fjord zu gelangen. Doch er will kein Kühlwasser ziehen. So segeln wir bei Halbwind viermal den Fjord hoch und wieder runter, mal mit 7, mal mit 2 Knoten Fahrt. Nach drei Stunden beschliessen wir, unter Segel zu ankern. Doch da springt der Motor plötzlich wieder an, das Kühlwasser sprudelt. Eine halbe Stunde später hängen wir an der Kette. Gute Nacht um fünf Uhr morgens! Der Anker will und will nicht halten Bis zum frühen Sonntagnachmittag ist der Ladeluftkühler des Motors wieder sauber. Danach folgt eine ordentliche Creweinführung bei Tageslicht: Wir lernen die verschiedenen Tücher kennen und üben das Segelsetzen. Dabei legen wir nur eine kurze Strecke zurück und ankern an einem schönen Ort, allerdings mit mässig gutem Ankergrund. Doch wir sind zu müde, um uns noch weiter umzusehen. Der Wind kommt früher als erwartet, und der Anker hält tatsächlich nicht. Nachts um vier müssen wir die «Passage» versetzten. Diesmal greift der Anker besser, wir schwojen jedoch immer wieder um 180 Grad – eine Frage der Zeit also, bis wir auch hier wieder rutschen. In der Zwischenzeit ist Montag und endgültig Zeit, endlich etwas mehr von den 300 Seemeilen hinter uns zu bringen. Leider hat der Wind auf Süd gedreht, aber immerhin bläst er mit 25 bis 30 Knoten. Bei 2 bis 3 Metern Welle kreuzen wir vor der Küste Richtung Fedje. Die Genua macht sich selbständig Fünf Stunden lang funktioniert es gut. Dann rollt sich die Rollgenau im oberen Teil etwas aus. Das Bisschen Tuch sorgt für ordentliche Schläge ins Rigg. Wir gehen auf Vorwindkurs, um die Genua auszurollen – ohne Erfolg. Auch der Plan, die Genua unter Motor wieder einzurollen, schlägt fehl. Bei dem hohen Wellengang ist die Maschine trocken gelaufen und will nicht mehr anspringen. Es gibt also nur noch eines: Wir müssen näher an Land, um Wind und Welle zu reduzieren. Während all der Manöver bin ich vor allem auf dem Vorschiff und bekomme nicht mit, wie sich Einzelteile des Segels lösen und davonfliegen – so jedenfalls schildern es mir nachher die Crewmitglieder im Cockpit. Auf der Fahrt Richtung Land wird dann auch noch das zweite Vorsegel in Mitleidenschaft gezogen. In etwas ruhigerem Wasser prüfen wir den Impeller und füllen das Kühlwasser auf. Nach mehreren Versuchen springt der Motor wieder an. Mittlerweile ist es Abend, und wir beschliessen, den nächsten Hafen in 10 Meilen Distanz anzulaufen. Erst im flachen Wasser gelingt es uns, die Genua um etwa 20 Drehungen einzurollen und mit dem Spifall zu sichern. Laut Wetterprognose soll es am Dienstag windstill sein, wir werden die Genau demnach problemlos bergen können. Wir legen am grossen Betonpier von Silda an und geniessen endlich eine ruhige Nacht. Platz da, der Helikopter kommt Am Morgen weckt uns lautes Knattern. Ein Helikopter schwebt vor der «Passage» und dreht dann wieder ab. «Der wollte wohl auf dem Pier landen», witzelt Niclas. Und genau so ist es. Einheimische empfehlen uns, sofort abzulegen. So sind wir also Minuten später bereits wieder unterwegs nach Süden. Endlich gelingt es uns, die defekte Genua zu bergen. Stunden später legen wir in Askvoll an. Ein Helikopter schwebt vor der «Passage» und dreht dann wieder ab. «Der wollte wohl auf dem Pier landen», Leider ist der Hafen nicht tief genug für die «Passage», sodass wir um drei Uhr morgens weiter müssen. Eine klare Sternennacht beschert uns eine traumhaft schöne Fahrt durch die Fjorde. Der Wind bleibt leider den ganzen Vormittag aus, auch ausserhalb der Fjorde. So kommt es, dass wir erst am Mittwochmorgen Fedje erreichen, 72 Stunden später als ursprünglich geplant. Am Nachmittag kommt dann Wind auf und lässt uns noch ein Stück weiter kommen. Freude am Segeln auf der einen, Druck Strecke zu machen auf der anderen Seite – es ist eine Gratwanderung. Wir erreichen eine Bucht, die uns als Ankerplatz perfekt erscheint. Doch einmal mehr hält der Anker nicht, die in der Seekarte eingetragene Boje existiert nicht mehr, und der kleine Steg ist schon voll besetzt. Es bleibt uns nur der nächste Hafen. Endlich ein perfekter Segeltag Der Donnerstag bringt viel Abwechslung, von der schmalen und untiefen Fjorddurchfahrt bis hin zu gutem Wind und grossen Schiffen. Zum Abschluss finden wir sogar noch eine echt romantische Ankerbucht. Damit bleibt uns dieser Donnerstag als wohl erfolgreichster oder zumindest problemlosester Tag der Törnwoche in Erinnerung. Am Freitag sind es noch 30 Seemeilen bis Stavanger. Um 10 Uhr morgens legen wir an. Wir bringen die ramponierten Tücher sogleich zum Segelmacher und erhalten gleichentags noch die Reparaturofferte. Schon am Samstag sollen sie wieder geflickt sein. Diesen Törn werde ich nicht so schnell vergessen. Er hinterlässt gemischte Gefühle. Immerhin, die Bilanz ist positiv, haben wir doch sämtliche Zwischenfälle – auch die Havarie mit den Vorsegeln – gut unter Kontrolle gebracht. Von Laurenz Zellweger (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting). Tief hängen die Wolken an diesem Samstagmorgen über Tromsø, der nördlichsten norwegischen Stadt. Die SY «Passage» liegt gut vertäut und mit perfekt aufgeschlagenem Gross am Pier im kleinen Stadthafen. Debriefing der Crew, die die Rennyacht von Ålesund hierher gebracht hat, und Begrüssung der neuen Crewmitglieder. Ich bin bereits am Vortag angereist, leider aber ohne mein Gepäck, das noch in Oslo auf den Weitertransport wartet.
Arbeiten in 23 Metern Höhe Mit Jean-Marc, dem Skipper des vorangegangenen Törns, tausche ich mich über die Erfahrungen mit der «Passage» aus, damit ich weiss, was alles ersetzt oder repariert wurde, was nicht hundertprozentig funktioniert und wie der letzte Törn verlief. Die neuen Crewmitglieder Sue, Bruno und Sämi kümmern sich um die Verpflegung für die nächsten zehn Tage, Andi und Werni ersetzen die Running Backstays hoch oben im Mast – beides keine leichte Aufgaben. Denn wer weiss schon, auf welches Menü wir in zehn Tagen Lust haben, wer was gerne mag, wer seekrank wird und keinen Appetit mehr hat und wann der nächste Lebensmittelladen am Horizont auftauchen wird? Und wieviel Trinkwasser für zehn Tage à sechs Personen? 1000 Liter? Oder reichen 50? Eine gute Art, sich etwas näher zu kommen, denn die neuen Crewmitglieder kennen sich nicht alle. Eine Herausforderung ist auch der Ersatz der Backstagen, die seit vielen Jahren den 23 Meter hohen Mast der «Passage» vor dem Knicken bewahren. Werni, Neuling auf der «Passage» und noch keine 24 Stunden an Bord, wird gleich mit Klettergurt und doppelter Sicherung über die grosse Winsch in den Mast gehievt. Auf Deck sorgen Andi und ich dafür, dass das richtige Material bereitliegt. Nach gut drei Stunden sind sowohl Kombüse als auch Rigg ready to go, und gemeinsam mit der alten Crew geniessen wir ein wunderbares Dinner im Hafenrestaurant. Start – und gleich wieder zurück Ziel des 14-Tage-Törns ist die Inselgruppe Svalbard alias Spitzbergen, die auf rund 78 Grad nördlicher Breite liegt – weiter oben kommt nur noch der Nordpol. Wir wollen in Norwegens nördlichsten Fjorden beginnen und nah am Nordkap vorbei via die Bäreninsel Bjørnøya und die einsamen Fjorde Südspitzbergens nach Longyearbyen, der Hauptstadt Spitzbergens, segeln. Sonntag, 8 Uhr früh. Mit grossen Erwartungen starten wir in unser Abenteuer. Andi steuert die «Passage» sicher aus dem Hafen und schwenkt in den Fjord nach Backbord Richtung Tankstelle ein. Doch wo genau liegt die Tankstelle? Wie war doch die Beschreibung im Internet? Liegt das grosse Fährschiff genau davor? Sue übernimmt das Ruder und legt die Yacht nach einer Vollwende direkt vor die Zapfsäule. Rasch Diesel gebunkert und alle Kanister gefüllt, dann Segel hoch und Motor aus – die Reise hat begonnen. Unser Plan ist es, in den Fjorden Seebeine zu bekommen, uns nach drei Tagen den richtigen Wind zu schnappen und dann die Überfahrt nach Spitzbergen zu starten. Zweimal steuern wir also noch kleinere Häfen an. Doch irgendwas scheint mit dem Motor nicht zu stimmen. Er klingt seltsam, und das Schiff zieht ständig nach Backbord – keine ideale Ausgangslage für den Aufbruch in die Wildnis. Wir müssen herausfinden, wo das Problem liegt. Doch wie bei fünf Grad Wassertemperatur die Schraube kontrollieren? Ein Fall für Andi. Mutig steigt er in seinen Neoprenanzug und taucht unter die «Passage» – nur um festzustellen, dass hier alles zum Besten steht: Der Propeller ist frei, die Yacht wird ihren Kurs halten können. Sämi hat in der Zwischenzeit die Angelrute ausgepackt, und schon nach kurzer Zeit zappelt der erste Fisch am Haken. Wind, Wellen, Seekrankheit Der Tag der Abfahrt ist gekommen. Wind und Wellen sind gecheckt, Verpflegung vorbereitet, Wachen eingeteilt; die Vorfreude mischt sich mit einer gewissen Anspannung. Auf den ersten Meilen will sich der Wind nicht an die Prognosen halten: Statt von Steuerbord kommt er von vorn, statt stark bläst er nur schwach. Doch kurz nach der Ausfahrt aus dem Fjord dreht er auf Kurs, und wir rauschen mit rund neun Knoten Richtung Norden. Nicht nur der Wind, sondern auch die Wellen nehmen zu, und die vermeintlich auftrainierten Seebeine werden schwach. Anzeichen von Übelkeit machen sich bemerkbar, und es dauert nicht lange bis zu den ersten persönlichen Zuwendungen an die See. Ausser unserem Seebären Bruno wird es allen an Bord schlecht, doch ein paar Wachen später geht es zumindest der Mehrheit wieder besser. Land in Sicht – oder doch nicht? Der Wind bleibt stark, die Welle hoch, und wir kommen sehr gut voran. Wir sichten drei Orcas, einen Blau- oder Finnwal, mehrere Gruppen von Delphinen und zahllose Seevögel. Nach 260 Seemeilen, vorbei an Bohrinseln, aber ohne auch nur einem einzigen anderen Schiff zu begegnen, taucht am Horizont die Bäreninsel auf, mystisch in Nebel gehüllt – um gleich wieder zu verschwinden und für die nächsten Stunden nicht mehr zu erscheinen. War es nur Einbildung? Wie haben das die alten Seefahrer ohne GPS gemacht? Wie schiesst man die Sonne, wenn sie sich die ganze Zeit hinter den Wolken versteckt? Doch dann taucht Bjørnøya unversehens wieder vor uns auf. Wir haben den ersten Meilenstein erreicht. Wir werfen den Motor an und streichen die Segel, um in die designierte Bucht einzufahren. Die Strömung nimmt zu, wir geben Gas – plötzlich zieht die Maschine nicht mehr, und aus dem Auspuff kommt weisser Rauch. Andi, unser Chefmechaniker, ist besorgt. Schon lege ich mir mögliche Taktiken zurecht, um unter Segel vor Anker zu gehen. Kein einfaches Unterfangen bei einer noch stehenden Dünung und der vorherrschenden Strömung von rund drei Knoten gegen den Kurs. Doch bald kommt Entwarnung: Gas etwas zurück, und der Motor läuft wieder normal. Maschine gut, alles gut: Nach 48 Stunden Überfahrt liegen wir auf 74 Grad Nord vor Anker. Eine Woche später wird sich herausstellen, dass die Dieselfilter stark verschmutzt waren und der Motor daher bei hohen Touren die geforderte Leistung nicht bringen konnte. Von Gletschern und Growlern Nach einem Besuch in der Funkstation auf Bjørnøya und – danke, Andi – dem Kauf eines einschlägigen Bäreninsel-Käppis im dortigen Souvenirshop lichten wir den Anker und nehmen die zweite Etappe in Angriff. Das digitale Weather Routing schlägt einen leicht östlichen Kurs vor, um nach rund einem Tag mit dem auf Südwest drehenden Wind nach Norden zu gelangen. Wir folgen dem Rat und erreichen ohne weitere Zwischenfälle die Südspitze von Svalbard und mithin den zweiten Meilenstein unseres Törns. Wir folgen der Küste weiter nordwärts und biegen nach rund 420 Meilen rechts ab in den Hornsund. Hier tauchen wir ein in eine andere Welt: Die Sonne bricht durch, und vor uns liegen die ersten Gletscher. Das helle Blau der Eisabbrüche blendet unsere nebelverhangenen Augen und weckt unsere Lebensgeister. Wir segeln vor dem auffrischenden Wind in den Fjord hinein und müssen sehr gut nach Eisgrowlern Ausschau halten. Teils tauchen sie einigermassen sichtbar aus den Wellentälern auf, teils sind sie aber durchsichtig und kaum vom Wasser zu unterscheiden. Um die nächste Landzunge herum erreichen wir unseren Ankerplatz für die Nacht – oder muss es heissen: für den Tag? «Um die nächste Landzunge herum erreichen wir unseren Ankerplatz für die Nacht – oder muss es heissen: für den Tag?» Es ist 24 Stunden lang hell, die Planung der Etappen und der Landausflüge muss nicht auf die Tageszeit abgestimmt werden. Das ist wunderbar, aber auch gefährlich, denn das Nachtessen um 23 Uhr, das anschliessende Uno-Spiel und der Schlummi danach lassen es jeweils gut und gerne drei Uhr früh werden. So versuchen wir, statt nach dem Gefühl ab und an auch nach der Uhr zu leben. Eisbad und russisches Dinner In den nächsten Tagen folgen wir der Küstenlinie und besuchen eine polnische Forschungsstation. Mit dem Dinghi fahren wir ganz nah an einen Gletscher heran und driften dabei so stark ins Lee, dass mich einen Moment lang Panik befällt. Es ist alles viel grösser, als wir es uns vorgestellt haben. Und nie hätten wir geglaubt, dass man auch bei einer Wassertemperatur von 3 Grad baden gehen kann, allerdings nur mit dem Super Safety Team von Mare Incognita, allzeit bereit für eine Sofortrettung. Alles verläuft nach Plan, unser Chef-Eistaucher Werni macht es bravourös. Als letztes Highlight der Etappe besuchen wir die Geisterstadt Pyramiden, eine nach der Form ihres Hausbergs benannte russische Kohlenbergwerksiedlung. Ende der 1980er Jahre wurde Pyramiden verlassen, seither scheint die Zeit hier stillzustehen. Bilder hängen noch an den Wänden, in der Sporthalle liegen noch Bälle herum, nur im Schwimmbecken des Hallenbads fehlt mittlerweile das Wasser. Wie Knochengerippe ragen die Industriebauten aus der Bergflanke, die harten Winter haben Gebäude und Fahrzeugwracks verwittern lassen. Dennoch, dem russischen Stil der Minenstadt kann unser Bordarchitekt Bruno durchaus eine gewisse Ästhetik abgewinnen. Mit Wodka und Kaviar geniessen wir schliesslich im Pyramiden-Hotel – dem einzigen Haus, das noch unterhalten wird – ein russisches Dinner, um dann durch den frischen und immer hellen Abend zurück zum Schiff zu laufen. Adrenalinkick zum Abschied Der letzte Törntag soll uns zurück nach Longyearbyen bringen. Wir schleichen den Fjordwänden entlang, in der Hoffnung, eine Belugaherde zu finden, die gestern hier gesichtet wurde. Und wirklich, wie die Seelen der einstigen Bergwerksarbeiter tauchen die weissen Meeressäuger unvermittelt vor uns auf. Wir lassen uns näher treiben und vernehmen die Gesänge der Wale sogar über dem Wasser. Dann drehen wir ab und laufen unter Motor Richtung Hauptstadt. Plötzlich verstummt das Brummen, einmal mehr fällt die Maschine aus. Was tun? Was sind die Optionen? Gedanken, die ich mir als Skipper schon im Vorfeld des Törns immer wieder gemacht hatte. Deshalb war die Reaktion auch klar: Rasch die Segel setzen, Fahrt aufnehmen und das Schiff wieder steuerbar machen. Die Ursache für die Motorenpanne ist bald gefunden: Der Backbordtank ist leer. Wir schalten auf die Steuerbordseite, und unser Volvo Penta brummt wieder. In der Zwischenzeit hat der Wind herrlich aufgefrischt, und in rauschender Fahrt kreuzen wir den Sund hinauf. Ein letztes Mal biegen wir nach Osten ab, und schon ist Longyearbyen in Sicht. Sue fährt das krönende Anlegemanöver, im Hafen bläst der Starkwind zum Glück nicht gar so heftig. Wir machen die «Passage» vorerst an der Tanke fest und verholen sie später an ihren Liegeplatz. Dankeschön an die Crew Wir haben rund 800 Seemeilen zurückgelegt, davon etwa 720 unter Segeln, und dürfen auf eine tolle Etappe zurückblicken – mit einer wundervollen Crew, die dank ihren individuellen Fähigkeiten, Spezialitäten und Charakteren sehr gut zusammen funktionierte. Als Skipper spreche ich allen meinen grossen Dank aus für Enthusiasmus, Freude, Neugierde, Flexibilität, Ausdauer, Humor, Küchenkünste, Essen, Nichtschnarchen – und vor allem dafür, dass ihr mich als Skipper ausgehalten habt. Wind und Wetter haben natürlich auch ihren Teil zum Erlebnis beigetragen. So waren die Verhältnisse bei der Überfahrt wohl etwas rau, dafür kamen wir gut voran. Danach Sonne, mystischer Nebel und zum Abschluss Verhältnisse fast wie am Mittelmeer. Ich würde mich freuen, mit dem einen oder der andern an Bord der «Passage» erneut in See stechen und weiter Garn spinnen zu dürfen. Von Jean-Marc Leutenegger (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting). Voller Vorfreude auf den Törn reisen wir am 19. Juni nach Ålesund. Hier treffen wir die Crew, welche die «Passage» von den Shetlands hergesegelt hat. Alle an Bord sind vom Erlebten begeistert. Der erste Tag dient wie üblich dem grossen Einkauf vor dem Start, der Boots-Übergabe und dem Briefing der Crew. Wir besprechen Sicherheitsaspekte, prüfen die Wetterberichte und diskutieren die Gestaltung der Route und unsere gegenseitigen Erwartungen. So starten wir am nächsten Morgen – schon hier wird es nachts kaum mehr dunkel – mit mässigem Wind Richtung Molde. Wir nutzen die Gelegenheit, die gesamte Garderobe der «Passage» zu testen: Im Verlauf des Tages setzen wir sowohl den Code Zero als auch den Spi, was von der Crew einiges abverlangt. Doch die Mühe lohnt, der Start ist gelungen.
Die nächsten Tage führen uns immer weiter nach Norden. Die Landschaft wird allmählich karger. Beeindruckend sind die vielen «Steingärten» entlang der norwegischen Küste: Das Meer ist hier mit zahlreichen kleinen und kleinsten Inseln und teilweise nur knapp sichtbaren Felsen gespickt. Entsprechend wichtig ist es, genau zu navigieren. Nahe Kristiansund ankern wir in einer wunderschönen Bucht und verbringen die Nacht. Dann erreichen wir nach einem weiteren guten Segeltag den kleinen Hafen von Stoksund. Der Wind ist günstig und kräftig; auf flottem Vorwindkurs gelangen wir tags darauf nach Rørvik. Die Meteo sagt für die nächsten Tage auf Nord drehende Winde voraus. Wir beschliessen, noch so lange wie möglich vom günstigen Südwester zu profitieren und eine längere Etappe zu segeln. So legen wir frühmorgens in Rørvik ab und teilen uns in Wachen ein. Natürlich wird regelmässig gekocht, was vom Küchenpersonal je nach Kurs und Wetter etwas Akrobatik verlangt. Auch der Schiffsunterhalt gehört zu den Routinearbeiten. Vor allem prüfen wir regelmässig den Motor, um Pannen vorzubeugen, denn bekanntlich treten diese immer dann auf, wenn man sie am wenigsten gebrauchen kann. Um Mitternacht laufen wir die Insel Husøya an. Sie liegt genau auf dem Nordpolarkreis – der erste Ort auf unserer Route also, wo die die Sonne nicht mehr untergeht. Die Anfahrt auf Husøya ist ein magischer Moment: Die Landschaft ist karg, aber atemberaubend schön, das Licht ist warm, ein paar vereinzelte Wolken machen die Stimmung perfekt, und ein wohlwollender Wind erlaubt es uns, zwischen den Inselchen und Felsen bis vor die Einfahrt des kleinen Hafens zu segeln. Kaum ist die «Passage» festgemacht, wandert ein Teil der Crew los, besteigt einen kleinen Hügel und bringt traumhafte Bilder der umliegenden Insellandschaft im Licht der Mitternachtssonne zurück. Ein wahrer Glücksmoment, der uns alle noch bis ans Ende des Törns begleiten wird. Wir legen in Husøya einen Tag Pause ein, besichtigen die Insel, füllen unsere Essensvorräte auf und kaufen fangfrischen Fisch. Nun hat der Wind gedreht und kommt von Norden. So kreuzen wir denn mit zwei Reffs im Gross und dem kleineren Stagsegel Richtung Myken auf. Immer wieder beeindruckt uns die «Passage» mit ihrem stabilen Verhalten selbst bei rauhen Bedingungen. Mit der für die jeweils herrschenden Bedingungen richtigen Besegelung ist das Schiff stets ausgeglichen und leicht zu steuern. Beeindruckend sind auch die Kraft, mit der die «Passage» durchs Wasser pflügt, und das Gefühl der Sicherheit, die sie uns dabei gibt. «You should paint your boat», so der Ratschlag, den wir in den Häfen immer wieder hören – egal, auch ohne Neuanstrich ist die «Passage» das perfekte Schiff für das Revier im hohen Norden. Das Segelerlebnis ist einfach toll. Der Wetterbericht prognostiziert für den nächsten Tag abnehmenden Wind, weshalb wir wiederum früh Richtung Bodø starten. Die Sonne scheint, die Temperatur ist angenehm. Nach unserer Ankunft verschlechtert sich das Wetter aber rasch: Der Wind legt zu, es regnet praktisch horizontal. Wir bleiben einen Tag in Bodø und nutzen die Gelegenheit, in einem Pub die EM-Spiele der Schweiz und Deutschlands anzuschauen. Wir haben die Hälfte unseres Törns hinter uns und sind bereits rund 450 Seemeilen gesegelt. Am Sonntag legen wir wieder ab und überqueren die grosse Bucht zwischen Bodø und den Lofoten. Wir steuern den winzigen ehemaligen Fischerhafen Nusfjord an. Das kleine Lofotendorf, das heute vor allem als Ferienresort dient und mit einem Museum über die Fischerei und den Stockfisch aufwartet, ist perfekt renoviert und denkmalgeschützt. «Auf dem Weg zu unserer nächsten Station Henningsvær haben wir ein unglaubliches Glück: Wir sichten Orcas.» Die Meeressäuger queren unser Kielwasser und tauchen dann wieder ab – erneut ein magischer Augenblick. Den Nachmittag verbringen wir in Henningsvær, einem schönen, aber ziemlich touristischen Ort, und fahren am Abend weiter, diesmal leider ohne Wind. Auf dem Weg zum Raftsund gönnen wir uns einen Abstecher in den Trollfjord. Er ist klein und eng, mit beeindruckenden, praktisch senkrechten Felswänden. Er gilt als beliebtes Ausflugsziel von Svolvær und ist berühmt für seine Seeadler. Wir sehen sie tatsächlich fliegen – ein Naturspektakel erster Klasse. Wir geniessen den Anblick und drehen mehrere langsame Runden im Fjord. Weiter geht es in den nächsten zwei Tagen entlang der Insel Langøya bis nach Risøyhamn auf der Insel Andøya und dann bis Hamn auf der Insel Senja. Von einem kleinen Hügel über dem Hafen blicken wir einmal mehr bei prächtiger Mitternachtssonne über wunderschöne nordische Landschaften. Unsere letzte Etappe bringt uns ins türkisblaue Meer von Litje Sommarøya, der «Arktischen Karibik». Wir nutzten die Gelegenheit, packen eines unserer Kajaks aus und machen einen kleinen Ausflug auf die benachbarte Insel, wohlverstanden mit weissem Sandstrand. Der letzte Schlag zurück nach Tromsø beschert uns dann nochmals echtes Segelvergnügen. Eine enge Stelle mit teilweise starken Tidenströmen passieren wir zu einer günstigen Zeit. Wir erreichen unseren Zielhafen auf 69 Grad nördlicher Breite nach insgesamt 750 gefahrenen Seemeilen. Fazit: ein rundum gelungener Törn. Die Crew hat gut harmoniert, das Wetter war meist auf unserer Seite, die «Passage» hat sich einmal mehr als geniales Schiff erwiesen, und die norwegischen Landschaften haben uns fasziniert. Wir alle reisen mit herrlichen Bildern im Kopf und schönen Erinnerungen wieder nachhause. Von Jean-Marc Leutenegger (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting). Mit wenig Wind und unter Motor starten wir von Bergen mit dem Ziel, in zwei Tagen nach Stavanger, Norwegens Öl-Hauptstadt, zu gelangen. Die Landschaft in den Fjords und rund um die zahlreichen Inseln ist wunderbar. Im Verlauf des Nachmittag kommt eine Brise auf, wir setzen die Segel mitsamt dem Spi – auf einem Schiff wie der «Passage» ein beachtliches Stück Tuch, das wir nach flotter Fahrt erst gegen Abend wieder bergen. Die Nacht verbringen wir vor Anker in einer ruhigen Bucht. Der Morgen bringt zuerst schwachen Wind, der dann aber auffrischt. Um in den Kanal von Hagesund zu gelangen, müssen mehrmals halsen. Bei der Ankunft in Stavanger bläst der Wind mit bis zu 30 Knoten, entsprechend herausfordernd ist das Hafenmanöver im doch sehr kleinen Yachthafen. Zwei Tage bleiben wir in Stavanger, um den Sturm vorbeiziehen zu lassen. Wir besichtigen die Stadt mit ihren hübschen Kaffees, coolen Bars und der prächtigen Altstadt. Noch vor Tagesanbruch starten wir dann Richtung Süden mit Ziel Dänemark. Wir verbringen 48 Stunden auf See, kreuzen bei Nacht etliche grössere Frachtschiffe und gelangen auf diese Weise nach Römö, der südlichsten dänischen Insel an der Grenze zu Deutschland bei Sylt. Hier treffen wir auf weit bedeutendere Gezeiten – und somit auch Strömungen – als in Norwegen. Schon am nächsten Morgen in der Früh ziehen wir weiter Richtung Helgoland. Für eine ganze Weile haben wir Wind und Strömung gegen uns. Das Aufkreuzen in diesem Gebiet mit vielen Sandbänken ist spannend und intensiv; die Wendemanöver müssen sehr gut eingespielt sein. Doch die «Passage» ist ja ein wendiges Schiff und lässt sich auch in solchen Gewässern präzise steuern. Wir erreichen Helgoland erst in der Nacht, geniessen am nächsten Tag mit ein paar anderen Touristen den Landgang und legen im Lauf des Nachmittags wieder ab. Der Wind frischt leicht auf, was uns Gelegenheit bietet, einmal mehr den Spi zu setzen, den wir vor dem Eindunkeln durch den Code Zero ersetzen. Wiederum erst nachts erreichen wir den Hafen von Den Helde in Holland. Die Dunkelheit und der tiefe Wasserstand machen das Anlegemanöver spannend. Den Tag verbringen wir in Den Helde. Die Stadt hat einen grossen holländischen Marinehafen und eine überaus lockere Atmosphäre. Bei schönem Wind legen wir ab zu unserer allerletzten Etappe und segeln den ganzen Tag unermüdlich mit dem Ziel, noch rechtzeitig durch die erste Schleuse in die holländischen Kanäle schlüpfen zu können. Wir schaffen es nicht und müssen bis am frühen Morgen warten. Wir sind beeindruckt von der Dichte des Frachtverkehrs und der Grösse der Schiffe, denen wir auf den Kanälen begegnen. Die Fahrt ist zeitraubend: Die Strassenbrücken öffnen nur zu gewissen Zeiten und wenn die Frachtschleusen voll sind. Als wir in Sint Annaland, dem Heimathafen der «Passage», eintreffen, herrscht fast schon Ebbe – die Hafeneinfahrt bei Niedrigwasser ist unsere letzte grosse Herausforderung, dann ist der 800-Meilen-Törn vollbracht. Gleich nach unserer Ankunft wird das Schiff dank grossem Einsatz des Unterhalts-Teams in zwei Tagen winterfest gemacht, ausgewassert und ins Winterlager gebracht. Die Planung der nächsten Saison kann beginnen – diesmal hoffentlich wieder mit Destination Grönland. Wir freuen uns bereits darauf. Von Jean-Marc Leutenegger (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting). Auf der nördlichen Breite von Bergen sind die Tage zu dieser Jahreszeit noch sehr lang. Der erste Segeltag mit schwachen Winden erlaubt der Crew eine sanfte Einführung in die Geheimnisse der «Passage». Es bleibt auch Zeit, die Insel Fedje zu erkunden, ein wunderbares und sehr typisches skandinavisches Eiland mit bunten Häusern und einer prächtigen Sicht aufs weite Meer. Von Fedje fahren wir wieder ostwärts durch die Fjorde und finden in der Nähe von Askvoll eine Bucht, die zum Baden einlädt – was wir auch tun. Am nächsten Tag gibt’s einen Kurzstopp in Askvoll, wo wir die Einkäufe vervollständigen und Diesel tanken. Bei perfekten Wind- und Seebedingungen kreuzen wir in einem kleinen Fjord auf und optimieren unsere (zahlreichen) Wendemanöver. Für die nächste Übernachtung haben wir wiederum eine kleine Buchtvorgesehen. Für die «Passage» erweist sich allerdings als zu klein, auch ist die Windrichtung nicht ideal. So legen wir im Hafen von Florö an, einer hübschen Kleinstadt mit allem, was man braucht. Ziel der nächsten und zugleich nördlichsten Etappe ist Maloy. Auf dem Weg dorthin überrascht uns die Norwegische Marine: Mit sicherlich 40 Knoten und einer riesigen Wasserwolke fliegt – anders kann man es nicht ausdrücken – ein Kriegsschiff an uns vorbei. Sehr beeindruckend! Statt nach Maloy zu segeln, wählen wir einen kleinen Hafen etwas westlich der Stadt. Nun geht’s zurück nach Bergen. Bei perfektem Nordwind rauscht die «Passage» mit bis zu neun Knoten vor dem Wind – ein wunderbarer Segeltag. In Herland unternimmt ein Teil der Crew eine Wanderung, und später besuchen wir alle eine einsame, aber coole Bar. Am letzten Törntag legen wir früh ab und segeln durch kleine Inseln Richtung Süden. Im Verlauf des Tages lässt der Wind etwas nach: Zeit für den Code Zero! Das riesige Tuch erlaubt uns ein stattliches Tempo. Unter Segeln fahren wir in den Hafen von Bergen ein – für die ganze Crew ein tolles Schlussbouquet. Auf dieser einwöchigen Rundfahrt haben wir etwa 300 Seemeilen zurückgelegt und sehr schöne und abwechslungsreiche Inseln und Landschaften entdeckt. Von Pascal Keel (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting). Crewwechsel sind immer auch ein wenig Stress. Es gilt, das Schiff wieder herzurichten, Esswaren und Getränke zu bunkern, die neue Crew einzuweisen, die Kojen zuzuteilen und sich vor allem kennen zu lernen. Letzteres finde ich spannend und geniesse es sehr. Hat sich die neue Crew an Bord eingerichtet, versuche ich stets, am nächsten Tag schon früh los zu segeln. Denn die Erwartungen der Crew sind gross, und ich möchte sie möglichst rasch erfüllen. Die Route wähle ich jedoch so, dass der erste Segeltag niemanden allzu sehr aus der Komfortzone bringt. So starten wir die Etappe in Landabdeckung raumschots bis Wick. Wick zeichnet sich vor allem durch seinen überaus freundlichen Hafenmeister aus, sonst hat der Ort eher wenig zu bieten. Er ist jedoch ein perfekter Ausgangspunkt, um die Orkneys anzusteuern und den Pentland Firth zu durchqueren. Im Pentland Firth kann es bis zu 12 Knoten Strömung geben. Dass wir mit unseren 8 Knoten Fahrt nicht durch soviel Strom segeln wollen, ist logisch. Oft wird auch vergessen, dass starke Strömung ungemütliche, ja sogar gefährliche Wellen mit sich bringen kann. Für uns ist deshalb klar: Wir müssen den Wechsel der Strömung abwarten. Der Plan funktioniert perfekt. Um 14 Uhr 20 stehen wir am Duncansby Head, zeitlich übereinstimmend mit dem Hochwasser von Dover. Die Überfahrt ist wie erwartet ruhig. Im Scapa Flow bleibt uns Zeit, die Theorie des Mann-über-Bord-Manövers aufzufrischen. Für Samstag ist viel Sonne, aber kein Wind angesagt. So beschliessen wir spontan, einen ausgedehnten Landausflug von Stromness zum Ring of Brodgar zu unternehmen. Zurück in Stromness erleben wir den letzten Tag der lokalen «Shopping Week». Er gilt als verrücktester Tag des Jahres: Es finden Lauf- und Schwimmwettkämpfe statt, abends gibt’s Livemusik und einen Drag-Queen-Wettbewerb. Man müsse keine Drag Queen sein, um da mitzumachen, sagt uns ein Teilnehmer: Es gehe nur darum, einmal im Jahr die Regeln zu brechen. Wir geniessen die ausgelassene Stimmung bis tief in die Nacht. Wer Party machen kann, kann auch rechtzeitig aufstehen – so unser Motto für den Sonntag. Ziel sind die Shetland Inseln. Um sechs Uhr heisst es Leinen los. Die Strömung vor der Stromness Bay ist schon von Weitem zu sehen. Anfangs schiebt der Diesel unser Schiff souverän durch das unruhige Wasser. Zwei Seemeilen ausserhalb des Hafens stoppen wir die Maschine und setzen Segel. Zum ersten Mal sind die Bedingungen heute etwas rauer. Das macht sich auch bei einzelnen Crewmitgliedern bemerkbar. Nicht ganz unschuldig sind dabei wohl auch der festliche Vorabend und das damit verbundene Schlafmanko. Um das Leiden zu mindern und etwas mehr von den Orkneys zu sehen, beschliessen wir, Haffness Sound und North Sound mit Motorkraft zu durchqueren. Dies ermöglicht uns ein wellenloses Mittagessen und gute Einblicke in die Inselwelt, bevor wir dann aufs offene Meer hinausfahren. 20 Knoten Wind auf Amwindkurs sind zwar nicht die idealen Voraussetzungen für die Überfahrt nach Shetland, aber es klappt. Um 22 Uhr 30 liegen wir in der riesigen und menschenleeren Bay of Quendale, dem fast südlichsten Punkt des Shetland-Archipels, vor Anker. Am Montag umrunden wir das Südkap von Shetland und staunen über die harten Lebensbedingungen, die auf diesen schroffen Felsen herrschen müssen. Doch fürs Auge ist die Landschaft einzigartig. Schon vor der Überfahrt haben wir erfahren, dass in Shetland das Tall Ships Race stattfinden wird und die Häfen deshalb voll sein werden. Der Hafenmeister von Lerwick erlaubt uns, für eine Nacht in dem noch leeren Hafenteil festzumachen, in dem die Tall Ships tags darauf erwartet werden und wo bereits die Festzelte stehen. Um etwas zu reparieren, muss man es manchmal noch defekter machen, als es schon ist. Das ist unser Motto für den Abend in Lerwick. So zerstören wir schweren Herzens die schützende Plastikhülle unseres Heizungsschalters, um diesen unter Beizug von improvisiertem Crimpmaterial und der Opferung eines USB-Autostecker-Laders wieder gangbar zu machen. Am Dienstag bläst der Wind noch zu stark, um nach Norwegen weiter zu segeln. Da wir aber unseren Hafenplatz in Lerwick räumen müssen und uns einen günstigeren Winkel für die morgige Überfahrt verschaffen wollen, segeln wir im Regendunst ein Stück Richtung Norden. In diesem mystischen Wetter kommen uns erste Tall Ships entgegen – es ist wie eine Zeitreise ins vorletzte Jahrhundert. Eines der teilnehmenden Schiffe, den schwedischen Gaffelschoner «Atene», können wir aus kürzerer Distanz bei Trainingsmanövern für die Regatta beobachten. Die Ullsta Bay, unser Ziel für die Nacht, ist ein beliebtes Fischzuchtgebiet. Sowohl am Eingang als auch am Ende der Bucht liegen die Reusen dicht an dicht. Dank Niklas’ Adleraugen nehmen wir keine davon ins Schlepptau – vielen Dank, dass du das Seil im Wasser bemerkt hast! Noch am Abend bereiten wir die Überfahrt vor, teilen die Wachen ein und machen das vordere Schott dicht. Am Mittwoch um zwei Uhr morgens brechen wir auf. Vorsichtig tasten wir uns um die Fischfarmen herum und hissen die Segel. Wir erwarten etwa 25 Knoten Wind mit Böen bis 35 Knoten, dies Halbwind bis Raumschot. Wir binden also zwei Reffs ins Grosssegel und setzen dafür die Genua 2 auf dem Furler. Es sind drei Meter hohe Wellen mit einer neunsekündigen Periode angesagt, die «Passage» wird ordentlich schaukeln. Daher die Idee, das Vorsegel auch vor dem Wind einrollen und uns auf diese Weise sehr schnell mit wenig Mannschaft aus einer Überbesegelung befreien zu können. Der Wind bleibt ziemlich stetig, die Crew grösstenteils standhaft, nur die See ist wirklich rau. Das Steuern ist anspruchsvoll und anstrengend und lässt einem keine Sekunde Pause. So suchen wir als Kurs den besten Kompromiss zwischen Fahrgeschwindigkeit, Erträglichkeit der Wellen und Abstand zu den Bohrinseln. Angenehmer wird es erst, als wir uns Norwegen nähern und das Meer schlagartig 300 bis 400 Meter tief wird. Da unser Log oft schöne 9 Knoten anzeigt und wir nicht im Dunkeln an der tollen Landschaft vorbei rauschen wollen, beschliessen wir, in der erstbesten Bucht Halt zu machen. Um ein Uhr nachts ankern wir nahe Hernar in den äusseren Inseln. Schon auf der Karte kommt mir die Bucht ziemlich klein und eher utopisch vor, in der Realität ist sie es tatsächlich, und auch die Radarpeilung macht sie nicht grösser. Doch die Crew ist voller Energie. Während die einen über Zweitanker und Landleinen diskutieren, entdecken die anderen an Land und in perfekter Position einen grossen alleinstehenden Poller. Den Wettkampf gewinnt schliesslich die «Gruppe Dinghy», die das Beiboot in Rekordzeit aufbläst und zum Poller fährt, gegen die «Gruppe Lasso», die vergeblich versucht, Leinen zu werfen. Fest verzurrt geniessen wir unseren Ankerdrink. Die Begrüssung, die uns Norwegen am Donnerstagmorgen bietet, könnte besser nicht sein: Das Wetter ist bombastisch, die Bucht wunderschön, der eine oder andere gönnt sich sogar einen Sprung ins klare Wasser. Dass die Wände steil und die Buchten tief sind und man bis auf wenige Meter ans Land heran fahren kann, ist für uns völlig neu. Glänzende Augen bringt denn auch die schmale Durchfahrt in das grosse innere Fahrwasser von Norwegen. Unser Logbuch bleibt nahezu leer, da wir alle nur Wetter und Landschaft geniessen. Am Abend legen wir am Besuchersteg des Supermarkts von Indre Arna an. Hier laden wir am Freitagmorgen Jean-Marc ein; er wird die «Passage» auf ihrer nächsten Etappe skippern. Bei schwachen Winden kreuzen wir aus dem Fjord hinaus, um dann kurz vor Bergen noch das letzte bislang unbenutzte Segel, den Spinnaker, hervorzuholen. Es ist uns klar, dass sich die Mühe so kurz vor dem Ziel nicht wirklich lohnen würde. Doch die Mehrheit der Crew ist interessiert daran, den Spi wenigstens einmal zu setzen. Nach einer halben Stunde Vorarbeit ziehen wir die Wurst endlich hoch – allerdings herrscht nun absolute Windstille, sodass sich nicht einmal die Wolle ums Tuch löst. Es braucht einen radikalen Kurswechsel und einiges an Geduld, damit sich der Spi bläht und wir die Kraft des Riesensegels spüren. Allerdings nur für fünf Minuten, denn das Spi zieht uns in die verkehrte Richtung und muss gleich wieder geborgen werden. Nach einer halben Stunde ist es wieder gut verpackt. Und eine weitere halbe Stunde später liegen wir schon im Hafen von Bergen, vorerst in einem Dreierpäckli, bis wir einen Platz an der Mole ergattern können. Mit einem guten Abendessen im Restaurant und einer Runde Billard beenden wir den Tag. Am nächsten Morgen heisst es von der «Passage» Abschied nehmen. Mein Dank an die Crew, es war eine schöne Zeit. Und für mich ist eines klar: Ich will wieder mal nach Norwegen! Von Pascal Keel (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting). Im Hafen von Dublin herrscht reger Betrieb. Hier findet heute die Dun Laoghaire-Regatta statt, eine der grössten Segelwettfahrten Irlands. Uns bleibt nichts anderes übrig, als mitten durchs startbereite Regattafeld in See zu stechen – eine etwas spezielle Art des Einsegelns für eine neue Crew mit neuem Skipper. Bei 20 bis 25 Knoten Wind macht die «Passage» gut acht Knoten Fahrt. Der Wellengang ist schwach, und halleluja, niemand wird seekrank. Nach rund 45 Seemeilen erreichen wir das Bojenfeld von Greencastle Point, wo wir ankern. Und schon hat uns alle die Segelwut gepackt. Um fünf Uhr früh lichten wir den Anker, damit wir für die nächste Etappe ausreichend Zeit haben. Wind- und Wellengott meinen es auch heute gut mit uns, vorerst jedenfalls. Fast 90 Seemeilen legen wir bei wenig Seegang unter Segeln zurück, dann lässt uns der Wind im Stich. Fürs letzte Dutzend Meilen bis zum Ankerplatz brummt der Motor. Nach zwei Tagen Vorwindkurs gehen wir am dritten Tag nun an den Wind. Die Bedingungen sind perfekt: strahlende Sonne, viele Tiersichtungen. Wie ein Messer durch weiche Butter schneiden Rumpf und Kiel der «Passage» durch das ruhige Wasser. Dank 3,5 Knoten Mitströmung machen wir kurzzeitig mehr als 12 Knoten Fahrt über Grund. An unserem Tagesziel Port Ellen besucht ein Teil der Crew eine der drei örtlichen Distillerien. Die Degustation lohnt sich: Der Whisky, der nun an Bord kommt, schmeckt ausgezeichnet. Die Motivation ist gross: Schon am vierten Tag durchbrechen wir die Schallgrenze der 250sten Meile, und dies, ohne eine Nacht durchgesegelt zu sein. Was uns am meisten freut: 88 Prozent dieses Wegs sind wir gesegelt, also rund 420 Kilometer allein mit Windkraft. Zwischen Loch Melfort, wo wir uns befinden, und dem Firth of Lorn, wo wir hin wollen, gibt es eine bekannte Abkürzung: den Cuan Sound. Das Kartenmaterial und die Beschreibungen für diese Route sind allerdings eher dürftig. Gesichert ist einzig eine Strömung von bis zu vier Knoten. Unsere Absicht ist es deshalb, den Sound bei Tidenwechsel zu befahren, um möglichst keine Probleme zu haben. Die Rechnung geht nicht wirklich auf. Trotz gutem Timing zerrt der Strom am Schiff. Stunden später fahren wir ins Loch Aline ein. Laut Seekarte passieren wir Stellen mit nur zwei Metern Wassertiefe – nach unserer Berechnung müssen es eher fünf Meter sein. In Loch Aline bestreitet die Crew ihr erstes Hafenmanöver, was wir mit einem ausgezeichneten Lunch im Restaurant «The Whitehouse» feiern. Dann kreuzen wir im flachen Wasser des Sound of Mull noch auf bis Tobermory und legen uns an eine Boje. Am Morgen können wir noch kurz umparken, das bunte und interessante Hafenstädtchen besuchen und uns in einer alten Kirche erstklassigen Kaffee servieren lassen. Dann segeln wir die 20 Seemeilen durch den Sound of Mull zurück, den Wind auf die Nase. Doch das Aufkreuzen macht uns allen Spass. Am Abend erreichen wir Oban und geniessen nach längerer Zeit wieder mal eine warme Dusche. Die Windprognosen sprechen für einen frühen Start am nächsten Morgen. Gegen die Strömung geht es nun Richtung Fort Williams und Caledonian Canal. Obwohl wir den Eingang zum Kanal schon am früheren Nachmittag erreichen, reicht es nur noch für die erste Schleuse – dafür aber fürs Pub. Sorgen bereitet uns die Nachricht, dass eine kaputte Brücke die Weiterfahrt behindere. Die Sorgen erweisen sich am nächsten Morgen als unbegründet: Das Problem ist offenbar bereits gelöst. Nicht nur für die Touristen, auch für uns ist die nun folgende Schleuserei ein echtes Spektakel. Noch vor dem Mittag schwimmt die «Passage» 18 Meter über dem Meeresspiegel. Hohe Bäume säumen das Kanalufer. Mit einem Segelschiff gewissermassen durch den Wald zu gleiten, ist ein neues und exklusives Gefühl. Die Fahrt durch Loch Lochy und Loch Ness erinnert ans Segeln auf Schweizer Seen. Loch Ness überrascht uns allerdings mit einer Windstärkenpalette von 3 bis 25 Knoten. Für kurze Zeit befinden wir uns 106 Fuss über dem Meeresspiegel, was mehr als einer Schiffshöhe entspricht. Am Ende der Kanalfahrt haben wir 29 Schleusen und mehrere Brücken passiert. Wir beenden den Tag, indem wir bei Leichtwind mit gehisstem Code Zero unter der Kessock Bridge hindurch rauschen und in Inverness festmachen. Fazit der zwölftägigen Etappe: Fast jedes Crewmitglied hat diesmal wohl mehr Manöver gesteuert als ich, Pascal, der Skipper. Von Theo Müller (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting). Mit einer neuen, diesmal vierköpfigen Crew gehen wir die zweite Etappe an. Wir durchqueren den Solent in westlicher Richtung und segeln via Yarmouth, vorbei an den eindrücklichen Needles, den spitzen weissen Kalkfelsen am Ausgang des Solent, nach Weymouth. Unser Windmesser hat den Geist aufgegeben, eine Reparatur auf dem fast 25 Meter hohen Mast ist angesagt. Nach eingehender Lagerbeurteilung beschliessen wir, nicht die Kanalinseln anzufahren, sondern der Küste entlang nach Newlyn zu steuern. Herausfordernd ist in dieser Region nicht das Segeln selbst, sondern die Kommunikation über Funk mit den Hafenmeistern, die immer auch Respekt vor einer so grossen Yacht haben. Irgendwie schaffen wir es dennoch, immer einen Liegeplatz zu bekommen, und dies verbunden mit vielen schönen und auch lustigen Erlebnissen. In Newlyn legen wir an einem alten Fischkutter an und geniessen ein fantastisches Essen in einem tollen Pub. Bis zum kleinen Crewwechsel am 1. Juli in Newlyn ist ein zweitägiger Abstecher auf die Scilly-Inseln geplant, mit Übernachtung in einer Bucht. Doch daraus wird leider nichts. Wir segeln in eine Regenfront, der Wind bricht zusammen, die Sicht ist schlecht. Also nutzen wir die Zeit für Manövertraining. Auf der Strecke von Newlyn um den Wolfrock, den südwestlichsten Punkt Cornwalls herum bis nach Milford in Wales gibt es keinen Hafen, den die «Passage» aufgrund ihrer Abmessungen anlaufen könnte – trocken fallen kann unser Schiff ja bekanntlich nicht. Also gilt es, einen langen Schlag von 120 Seemeilen zu bewältigen. Mit Westwind von teilweise bis zu 30 Knoten kommen wir auf Halbwindkurs sehr gut voran. Auf der rund 26-stündigen Reise begleiten uns viele Delphine. Von Milford aus überqueren wir den St-George’s Channel nach Irland und steuern den Hafen von Rosslare an. Wir haben uns per Funk beim Hafenmeister angemeldet, er will uns auf der Westseite des Fishermen’s Quay platzieren. Rosslare ist ein Fischerei- und Fährhafen und keiner für Segelyachten; pro Woche verkehren hier rund 80 Fährschiffe. Entsprechend unwillig empfängt uns das Landpersonal. «It’s not a friendly port», sagt uns der Sicherheitsverantwortliche. Wir werden zum Hafenausgang begleitet und ermahnt, um 19 Uhr 30 wieder zurück zu sein, dann werde der Hafen geschlossen. Am nächsten Morgen beim Auslaufen verabschieden wir uns per Funk vom Hafenmeister, er bedankt sich für unseren Aufenthalt. Immerhin! Um dem prognostizierten starken Südwind in der Irischen See zu entrinnen, wollen wir als nächstes Arklow Marina anlaufen. Es gelingt uns weder per VHF noch per Telefon, uns anzumelden, eine Mailadresse gibt’s schon gar nicht. Unter den Kontaktinformationen im Navionics steht: «It has been reported that they do not respond to the VHF.» Also suchen wir uns einmal mehr ein Fischerboot, um daran anzudocken. Um fünf Uhr morgens laufen wir bereits wieder aus, dies mit der sprichwörtlichen Handbreit unter dem Kiel. Wir wollen vor dem Tidentiefststand auf dem offenen Meer draussen sein, denn im Verlauf des Tags sind starke Winde angesagt: «GALE WARNING: Southerly gale force 8 expected…» Gut vier Stunden fahren wir unter Motor, bis sich der Wind stetig aufbaut und uns rasant Richtung Dublin trägt. Kurz vor Dublin melden wir uns im Hafen an und nutzen die letzten Seemeilen, um bei gutem Wind zum Etappenende noch einmal so richtig zu segeln. Kaum haben wir die Tücher eingeholt, meldet Dublin über Funk, man habe leider keinen Platz für uns. Kein Platz im Hafen von Dublin an einem normalen Donnerstag? Darf denn das sein? Wir haben keine Zeit, uns lange zu ärgern. Der Wind hat deutlich zugelegt, und wir müssen rechtzeitig den Ausweichhafen von Dun Laoghaire südlich von Dublin erreichen. Mit bis zu 34 Knoten Wind erleben wir noch ein heftiges Finale, bis wir ohne Schaden in Dun Laoghaire festmachen – im Gegensatz zu einem anderen Boot, das mit gebrochenem Mast einläuft. Wir erfahren nun, dass in Dublin gerade die grösste Segelregatta Irlands stattfindet. Kein Wunder ist der Hafen voll. Die gesamte zweite Etappe ist sowohl für die «Passage» als auch für uns Segler eine Herausforderung. Ohne die gut funktionierende Crew wäre sie nicht so leicht zu schaffen gewesen. Ein grosses Dankeschön! Bis zum Crewwechsel bleibt uns ein Reservetag, den wir dafür nutzen, Dublin einen Besuch abzustatten. Das «House of Guiness» ist dabei natürlich ein Muss… Von Theo Müller (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting). Im Verlauf des Samstags treffen die Crewmitglieder im Hafen von Sint Annaland ein, und wir machen uns für die grosse Fahrt bereit. Nach den üblichen Einweisungen verlässt die «Passage» am Sonntagmorgen Sint Annaland Richtung Breskens, dies mit knapp mehr als einer Handbreit Wasser unter dem Kiel. Auf der ersten Etappe, die durch Kanäle mit Schleusen und Hubbrücken führt, schiebt uns vorwiegend der Motor. Wir segeln entlang der Nordküste von Holland, Belgien und Frankreich und überqueren dann den Ärmelkanal Richtung Südengland. Die Wetterbedingungen sind nicht zu unseren Gunsten – Wind direkt auf die Nase und teilweise schlechte Sicht. Aufhorchen lässt uns ein Funkspruch der Gendarmerie Maritime auf Kanal 16: «We have spotted a dinghy.» Wenig später beobachten wir aus der Ferne ein Schlauchboot mit Flüchtlingen, das von einem Schiff der Küstenwache begleitet wird. Bei diesem Wetter fahren Menschen einfach los, in der Hoffnung auf ein besseres Leben… An der südenglischen Küste sind Häfen für Yachten mit einem Tiefgang von 3,2 Meter rar. Das Wetter erlaubt es uns zu ankern, und wir erreichen via Portsmouth den Solent und unser Ziel Cowes sicher und zur richtigen Zeit. Auf der gesamten Etappe ist das Bordleben sehr angenehm, wir haben Zeit für interessante Gespräche und zum Zubereiten überaus feiner Menüs. Ein grosses Dankeschön an die fünfköpfige Crew, welche die «Passage» in Cowes mit vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken verlässt. Von Andreas Walser und Michael T. Ganz. Um unser geliebtes Schiff wieder fit zu kriegen, haben wir die «Passage» zweimal in ihrem Winterlager besucht: einmal im Februar, um von Nicola eine Einführung in die Schiffstechnik zu erhalten und eine Bestandsaufnahme zu machen, und einmal im Juni, um die nötigen Arbeiten auszuführen. Juni 2023 Nach einer intensiven Zeit mit Materialbeschaffung und Vorbereitung waren wir für den zweiten Einsatz bereit. In Anbetracht der vielen Arbeit, die auf uns wartete, war ich sehr froh, dass sich diesmal acht Personen dafür begeistern konnten, mit nach Sint-Annaland zu fahren – ich mit einem VW-Bus voller Material. Vor Ort teilten wir uns in Grüppchen auf, damit jede und jeder möglichst ungestört arbeiten konnte. Mark entfernte die Reste des Antifoulings mit dem Hochdruckreiniger so gründlich, dass Mirjam schon Angst um die Grundierung des Rumpfes hatte. Doch nach Stunden intensiven Tuns war tatsächlich nichts mehr da vom alten Belag; er lag nun auf dem Boden des Werftgeländes, was Jefrie nicht gerade begeisterte. Dank Marks, Lauras und Rogers gründlicher Arbeit war das Auftragen des Antifoulings dann ein Klacks: Mirjam und ich hatten es in zwei Stunden erledigt.Bei einem Schiff mit nicht weniger als 13 Winschen kann auch der Winschenservice ein paar Leute für eine ganze Weile beschäftigen. Glücklicherweise hatten wir die vier grossen Winschen im Februar schon ausgebaut, nach Zürich mitgenommen und bei Nicola in der Werkstatt revidiert. Dann endlich konnten wir die «Passage» mit frischem Antifouling-Anstrich einwassern. Nach dem Einwassern ging die Arbeit aber weiter. Bruno machte sich mit grossem Eifer daran, die Dieselpest aus dem Tank zu verbannen. Zu diesem Zweck musste der ganze verbliebene Dieselvorrat ausgepumt, der Tank gereinigt und mit durch Biozid versetzten Diesel neu betankt werden – ein riesiges und mühsames Unterfangen. Da es im Hafen zudem keine Tankstelle gab, mussten wir den Treibstoff in Kanistern mit dem Auto herbeiführen. Leider hatte uns der Segelmacher vergessen. Da ich ihm aber belegen konnte, dass er uns den Liefertermin bestätigt hatte, versprach er mir, die Segel noch für das Einsegeln am Sonntag fertigzustellen. Leider mussten wir dann jedoch feststellen, dass die Arbeit nicht gut gemacht war: Viele defekte Stellen waren nicht repariert. Auch der Rigger verschob den Termin kurzfristig um einen Tag, was unsere Rückreise verzögerte. Seine Expertise und seine Erläuterungen zum komplexen Rigg der «Passage» waren aber sehr lehrreich und haben bei mir einige Wissenslücken geschlossen. Nach einer intensiven Zeit und dem grossartigen Einsatz aller Beteiligten war die «Passage» nun wieder bereit für die nächste grosse Fahrt, und wir konnten sie mit gutem Gewissen dem Skipper übergeben. Sie hat nicht den Anspruch, das schönste Schiff im Hafen zu sein, aber wie wir alle wissen, ist Schönheit eine oberflächliche Tugend und jeweils nur von kurzer Dauer. Lessons learned:
Februar 2023Von Andreas Walser und Michael T. Ganz. Wir fuhren zu viert nach Sint-Annaland: Nicola, Bruno, Pascal und ich. Wir beschlossen, uns von vorne nach hinten und von unten nach oben durch das Schiff zu arbeiten, uns dabei alles Technische erklären zu lassen, bereits machbare Reparaturen auszuführen und zu notieren, welche Arbeiten später noch zu erledigen und welches Material zu beschaffen wären. Leonie, «Passage»-Skipperin der Saison 2022, hatte uns bereits eine ausführliche Liste zusammengestellt, die wir nun aufarbeiten wollten. Für diese Aufgabe standen uns zwei Tage zur Verfügung, plus je ein Tag für An- und Rückreise. Wir begannen mit dem Rumpf und mussten feststellen, dass das Antifouling dringend erneuert und die Opferanoden an Propeller und Welle ersetzt werden sollten. Glücklicherweise waren die Telleranoden am Rumpf soweit noch in Ordnung, sodass wir sie mit der Drahtbürste beidseitig reinigen konnten, um ihnen wieder ausreichend Kontakt zum Rumpf zu geben. Im gleichen Zug konnten wir den Propeller mit dem passenden Spezialfett fetten – eine Arbeit, die jedes Jahr erledigt werden muss, damit das Getriebe, das für das synchrone Schwenken der Propellerflügel sorgt, keinen Schaden nimmt. Dann beschlossen wir auch, endlich eine Lösung für die seit Jahren undichte und deshalb verhasste Vorschiffluke zu finden, damit die Skipperkoje in Zukunft trocken bleibt. Leider war auch der Faltenbalg des Babystagsgerissen und musste dringend ersetzt werden. Beim Wassermacher fanden wir neben fehlenden Vorfiltern auch ein undichtes Hochdruckventil, was uns bewog, diese Reparatur auf nächstes Jahr zu verschieben – für das laufende Jahr ist ja nur ein kürzerer Törngeplant, der die «Passage» nicht weit von der Zivilisation weg führen soll. Wir untersuchten noch viele weitere Defekte, so beispielsweise den Anker, der gegen die Bordwand schlägt, eine Wasserpumpe, die nicht mehr sauber arbeitet, und die Dieselpest, die sich trotz Biozid nicht von selber auflösen will. Unser Hauptfokus lag aber darin, die Technik der «Passage» kennenzulernen. Nicola nahm uns mit in die tiefsten Geheimnisse und Einzelheiten, was uns einiges an Konzentration abverlangte. Denn das Schiff steckt bekanntlich voller «custom solutions», individueller technischer Lösungen also, die man auf gängigen Charterschiffen nicht findet. Nur gut, dass heute jeder seine Fotokamera in der Hosentasche hat. Keine Ahnung mehr, wie man sich das früher alles merken konnte … Mit vier grossen Winschen und einer deutlich längeren Mängelliste im Gepäck ging es nach zwei Tagen harter Arbeit wieder nach Hause. Von Michael T. Ganz. Es kommt wieder Wind in die Segel. Nach dem unerwarteten Tod unseres Vereinsgründers und Hauptskippers Till Lincke Anfang 2022 war nicht klar, wie lange die SY «Passage» noch in See stechen würde. Doch nun ist der Entscheid gefallen: Der Segelverein Mare Incognita als Betreiberin der SY «Passage» erhält einen neuen Vorstand, und es steht eine ganze Schar freiwilliger Helferinnen und Helfer bereit, um die Törns zu organisieren und das Schiff auf Vordermann zu bringen.
Für 2023 ist aus logistischen Gründen eine verkürzte Törnsaison in der zweiten Sommerhälfte geplant. Die SY «Passage» wird dabei nicht wie sonst in arktische Breiten vorstossen, sondern in den – seglerisch genauso herausfordernden – Gewässern rund um Grossbritannien kreuzen. Den detaillierten Törnplan findet ihr auf TÖRN 2023. Bis die SY «Passage» auch ohne Till Lincke wieder zum Normalbetrieb zurück findet, gibt es noch viel zu tun. Wer aktiv im Segelverein Mare Incognita mithelfen möchte oder das Schiff diesen Sommer oder ab 2024 für kürzere oder längere Zeit skippern möchte, ist herzlich willkommen, sich bei Pascal Keel, +41 44 586 65 65, [email protected], zu melden. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit, zu Land und auf dem Wasser. Von Michael T. Ganz. Ein Dokumentarfilm über den ersten Grönlandtörn der SY «Passage» 2014 und eine Hommage an unseren verstorbenen Freund und Skipper Till Lincke.
Von Leonie Schmid und Michael T. Ganz. Endlich hat es die ganze Crew an Bord geschafft; es war nicht ganz einfach, denn die schottischen Bahnen haben gestreikt. Da Yachthäfen an der schottischen Küste nicht gerade zahlreich anzutreffen sind, wollen wir den Tag und die Nacht gleich durchsegeln. Mit Westwind rauschen wir zum Kap, vorbei an Scharen von Möven, Robben und sogar einem Hai. Am Kap luven wir an und halten auf Edinburg zu. Hier wimmelt es eigentlich von Häfen, aber keiner scheint uns zu wollen. Entweder dienen sie nur der Berufsschifffahrt, oder sie sind nicht tief genug für die «Passage». So ankern wir vor einem kleinen, in die Felsen eingemeisselten Hafen, der einst als Festung gebaut wurde. Die spektakuläre Einfahrt machen wir dann am folgenden Morgen mit dem Dinghy und besuchen das hübsche Dorf Dunbar. Unseren nächsten Zielhafen können wir nur während einer Stunde bei Hochwasser anlaufen. Flut ist morgens und abends um acht. So warten wir denn vor der Hafeneinfahrt, bis es eindunkelt. Dann los und mit voller Konzentration den rund zwei Meilen langen, schmalen und kurvenreichen Flusslauf hoch. Knapp nur weichen wir im Dunkeln einer Hummerreuse aus, die ich bereits in unserer Schiffsschraube wähne. Die Fahrt ist unheimlich, man sieht nur die Lichter der Bojen und hört unheimliche Wassergeräusche. Endlich ist die Hafenmole in Sicht. Der Hafenmeister hat mir zuvor am Telefon erklärt, wo die Tücken lauern und wie man anlegen soll. Jedes Crewmitglied erfüllt seine Aufgabe perfekt, und wir machen an der Mole fest. Die Prognosen sehen prächtig aus: Offshorewinde von 15 bis 25 Knoten für die gesamte nächste Woche. Das verspricht Flachwassersegeln vom Feinsten. In Tagesetappen rauschen wir der englischen Ostküste nach gen Süden. Bald finden wir keine Häfen mehr für unser tiefgehendes Schiff. So lassen wir uns vom Westwind komfortabel und sportlich schnell nach Holland blasen, wobei wir um die vielen Ölplattformen und Windparks von bis zu 30 Meilen Länge Slalom fahren. Nach einer kurzen Nacht in Den Helder segeln wir bei Sonnenaufgang zur nahe gelegenen Insel Texel. Hier geniessen wir sonniges T-Shirt Wetter im kleinen Hafen gleich hinter dem Deich der kleinen schmucken Ortschaft Oudeschild. Der darauffolgende 60-Meilen-Tagesritt nach Scheveningen bietet alles, was es so an Wetter geben kann: Sonne und Regen, Reffen und Flaute, Amwind-, Halbwind- und Vorwindkurse. Die mittlerweile gut eingespielte Crew meistert alle Situationen einwandfrei. Mit Strömung gegen Welle fahren wir stampfenden Bugs in den engen und stark belegten Scheveninger Hafen ein. Für die nächsten Tagen ist der Wind mager angesagt. Deshalb wählen wir die Route durch den Kanal nach Sint-Annaland. Das ist Holland total, denn das Faszinierende hier sind die vielen Kanäle mit unzähligen Brücken, Schleusen und kleinen günstigen Häfen meist direkt in der Innerstadt. Und so ist es dann auch: Spektakuläre Einfahrt nach Rotterdam, umringt von grossen geschäftigen Frachtschiffen. Über Funk weist uns die Kontrollzentrale am riesigen Tor vorbei, das sich bei extremer Springflut schliessen lässt, um die Stadt und ihre Umgebung vor Überschwemmungen zu schützen; das Festland liegt hier einige Meter unter dem Meeresspiegel. Wir legen mitten in Rotterdam an. Am nächsten Morgen gibt’s zum Frühstück an der Sonne auf Deck frisches Brot. Drei Brücken öffnen sich extra für die «Passage», als wir nach Dordrecht weiterfahren. Den Hafen dieser ältesten Stadt Hollands kenne ich bereits: Mein eigenes 42-Fuss-Schiff hat damals hier kaum reingepasst. Auch diesmal messen wir bei der Fahrt unter der handbetriebenen Drehbrücke hindurch noch je zehn Zentimeter Platz auf beiden Seiten, und selbst bei Ebbe bleibt gerade noch die sprichwörtliche Handbreit Wasser unter dem Kiel. Doch das Schwitzen lohnt sich: Der Liegeplatz gleich neben der Kirche dieser hübschen Stadt ist einfach einmalig. Dann kommt der letzte Segeltag der Saison. Mit voll motivierter Crew verlassen wir den winzigen Hafen, tuckern unter einer Hebebrücke durch und zweigen ab ins Rheindelta. Endlich wieder unter Segel, schneidet die Passage perfekt durch die kleinen Wellen. Über Funk werden wir angewiesen, in die Schleuse für Berufsschifffahrt einzufahren; mit unserem Mast und unserem Kiel sind wir zu gross für die Sportschifferschleuse. Zwischen den Frachtern kommen wir uns allerdings winzig vor, und die mächtigen Schrauben der abfahrenden Tanker strudeln die «Passage» zum Abschluss noch gut durch. Nach der zweiten Schleuse sind wir wieder im Meer. Ein letztes Mal flitzen wir durch traumhaftes Flachwasser, bis zum Seitenarm von Sint Annaland. Hier schiessen wir auf, bergen das Gross, tuckern in den Hafen und machen die «Passage» fest. Ein grosser Moment für mich. Nach fünf Monaten an Bord und vielen unvergesslichen Situationen habe ich es geschafft, das Schiff und seine Crew heil zurück zu bringen. Und fahre nachhause mit der Hoffnung, dass die «Passage» auch nächste Saison wieder in See stechen wird. Von Leonie Schmid und Michael T. Ganz. Nach einer Woche Pause bin ich wieder fit und motiviert für die Weiterfahrt nach Süden. Also einkaufen und Leinen los. Zuerst begleiten uns Delfine, dann sichten wir eine Gruppe Pilotwale. Ein Zwischenhalt auf der Insel Hirsey lässt uns ein hübsches kleines Dorf, viele Vögel und Unmengen roter Heildelbeeren entdecken. Auf den nächsten Seemeilen beglückt uns hier und dort ein Buckelwal. Der Tag endet mit der Einfahrt in den Fischerhafen von Olafsfjordur bei Sonnenuntergang. Wir geniessen einen Pie mit den selbst gepflückten Hirsey-Beeren. Das letzte Crewmitglied steigt noch zu, und da ich Inseln mag, geht es weiter zur nächsten: Grimsey. Den heftigen Regen verbringen wir im kleinen Hallenbad und sind froh um die isländische Warmbadekultur. Im ersten Morgenlicht geht es weiter. Wir schneiden noch den Polarkreis an und segeln Richtung Osten. Der Wind nimmt ab, und die Crew überzeugt mich, den Spinnaker zu setzen. Ich habe das noch nie auf einer Yacht getan. Gemeinsam besprechen wir das Vorgehen, tüfteln an der Montage, planen die Bergung. Und wumms, das Ding geht auf. Ich bin überrascht, wie gut es zieht – kaum Wind und dennoch zwei Knoten schneller! Dabei ist es nur der Sturmspinnaker… Bald schläft der Wind ein, und wir bergen den erschlafften Ballon. Die Wetterprognose sagt für in ein paar Tagen Sturm voraus. So verlassen wir Island bereits wieder und segeln zwei Nächte durch Richtung Faröer. Damit wir es rechtzeitig schaffen, lassen wir von Zeit zu Zeit den Motor mithelfen. So laufen wir noch vor Ende des dritten Tags zwischen den Klippen der Faröer ein und machen im ersten geschützten Hafen fest. Der freundliche und gesprächige Hafenmeister rät uns spätnachts noch, nicht länger hier zu bleiben. Der Hafen sei zwar windgeschützt, bei Sturm könnten die Wellen jedoch ums Kap bis hierher rollen. So machen wir uns am Morgen bei herrlichstem Wetter – die Ruhe vor dem Sturm – auf, um nach Thorshaven zu gelangen. Nun erlebe ich doch noch die Schönheit dieser Inselwelt; bei der Fahrt in den Norden habe ich hier nur Nebel und Wolken gesehen. Wir umrunden noch die kleine Insel Nolsoy, bevor wir im Hafen von Thorshaven festmachen. Hier wollen wir drei Tage bleiben, denn es sind bis zu 80 Knoten Wind angesagt; das will ich nicht freiwillig auf hoher See erleben. In der Nacht beginnen die Fender zu quietschen und die Leinen zu gieren. Am Masttop messe ich 50 Knoten, und dies auf der Leeseite relativ hoher Inseln in einem gut geschützten Hafen. Wir wollen uns das Naturgeschehen auf der dem Wind zugewandten Seite anschauen, denn abgesehen vom Starkwind sind auch immense Wellen angesagt. Der Hafenmeister empfiehlt uns eine Stelle, von der sich Winterstürme gut beobachten lassen. Wir mieten ein grosses Auto und fahren hin. Beim Aussteigen bläst es uns fast um. Die Wellen, die vor uns auf die Klippen donnern, sind faszinierend. Klatschnass von der Gischt besteigen wir wieder unseren Siebenplätzer. Ich muss eine Entscheidung fällen: Segeln wir über die Shetland Inseln, die ich schon immer mal besuchen wollte, nach Bergen, oder steuern wir für den letzten Crewwechsel Inverness an? Ich entscheide mich für Schottland. Gut so, denn der Windwinkel ist angenehm, und die alte See entpuppt sich als weniger schlimm als befürchtet; die Färöer sind offenbar eine gute Abdeckung. Die pechschwarzen Nächte fordern uns beim Manövrieren ganz schön heraus, doch wir meistern das und erreichen die Orkneys gegen Mittag mit vollem Gegenstrom. Wir trotzen dem schäumenden Wasser und segeln mit abnehmender Strömung durch die Inselgruppe durch – ein bisschen Sightseeing muss sein. In der zweiten Nacht geniessen wir dann guten Mittstrom bis nach Inverness. An spektakulärer schottischer Kulisse vorbei kommen wir zum Hafen. Der rundliche Hafenmeister, der uns in Empfang nimmt, verrät uns auch gleich das Wichtigste: den Weg zum nächsten Pub. Von Leonie Schmid und Michael T. Ganz. Vom Flughafen geht es erneut nach Ittoqqortoormiit. Hier bleiben wir zwei Nächte, denn ich möchte auch mal das Dorf sehen und nicht nur duschen gehen. Doch daraus wird wieder nichts. Ich versuche vielmehr, eine Bewilligung zum Befahren des weiter nördlich gelegenen Nationalparks zu bekommen; das kostet viel Zeit. Ich werde von einer Telefonnummer an die nächste verwiesen und erfahre am Ende, dass wir uns vor drei Monaten hätten anmelden müssen. Was soll’s. In Scoresby und Umgebung gibt es noch genug schöne Ecken zum Entdecken. Unser erstes Ziel ist der Nordwestfjord. Der Wind ist laut Prognose wenig zuverlässig. So legen wir denn einfach mal ab – und zu unserer Überraschung bläst es den ganzen Tag konstant aus Osten. Dies bringt uns mit gutem Speed über 100 Meilen bis zum Eingang des Fjords, wo wir kurz vor Sonnenuntergang in einer gut geschützen Bucht vor Anker gehen. Weiter draussen gleiten die richtig grossen Eisberge aus dem Nordwestfjord vorbei. Dann geht es weiter in den Fjord hinein. Die Aussichten auf Ankerplätze sind schlecht. Zwar sind zwei Optionen angegeben, doch bei der herrschenden Eissituation weiss man nie. Wir lassen unsere Drohne steigen; vielleicht zeigen uns die Bilder, wo wir ankern könnten. Das Wasser ist klar genug, um den Untergrund bis auf zehn Meter Wassertiefe erkennbar zu machen. Doch wo die Topologie auf den ersten Blick vielversprechend aussieht, fällt der Grund sehr steil ab – kein guter Ankerplatz. Nahe der kleinen Insel nebenan sieht es besser aus. Zum ersten Mal seit Monaten können wir «nur» 30 Meter Kette stecken, und dies erst noch in festem sandigem Schlamm. Das Schiff hält bombenfest. Und so geniessen wir die Ruhe im Fjord am Rand des Nationalparks. Einmal mehr ist die Stimmung magisch: Berge, Eis, das nordische Licht und die absolute Stille. Leider hält die Magie nicht lange. In der Nacht kommt Wind auf; einmal mehr fällt er vom Eispanzer herunter, genau aus der Richtung, zu welcher sich die Bucht hin öffnet. Obwohl ich fast sicher bin, dass der Anker hält, verlassen wir die Insel zur Sicherheit noch in der Nacht. Das Erlebnis der letzten Woche hat mich etwas vorsichtiger werden lassen. Das erste Tageslicht lässt die Bergspitzen leuchten und erhellt bald auch die «Passage». Wir nutzen die Zeit, um ein Mütze-über-Bord-Manöver unter Segeln zu üben: Die versehentlich reingefallene Kappe wird erfolgreich und klatschnass geborgen. Nochmals besuchen wir die Bucht mit dem grossen Gletscherabbruch. Als wir am nächsten Morgen Eisblumen auf der Wasseroberfläche entdecken, ist klar: Bald ist es Zeit, dass wir hier verschwinden, sonst frieren wir fest. So geht es wieder zurück nach Ittoqqortoormiit. Um angesagten Starkwind aus Norden abzuwettern, legen wir in Ittoqqortoormiit eine Pause ein, bevor wir nordwärts zur Halbinsel Liverpool Land segeln. Ausnahmsweise stimmen die Prognosen: In der Nacht werfen uns Böen hin und her, die Ankerkette kratzt über den steinigen Grund. Dreimal prüfe ich, ob die «Passage» driftet, dreimal kann ich beruhigt sein – dennoch ist in meiner Vorkabine an Schlaf nicht zu denken. Am Morgen beruhigt sich das Wetter, und wir nutzen den Restwind, um in See zu stechen. Liverpool Land hat einige vorgelagerte Inseln und kleinere Gletscherabbrüche. Nahe eines solchen ankern wir für die erste Nacht und gehen an Land, um auf dem Gletschergeröll ein Stück hochzusteigen. Der nächste Tag führt uns zwischen Inseln hindurch und an Gletschern vorbei in eine traumhaft schöne Bucht. Das viele Schwemmholz bringt uns auf die Idee, ein Feuer zu machen. So geniessen wir zum Apero gebratene Würstchen und Toast vom heissen Stein. Die Glut wärmt uns bis Sonnenuntergang. Am nächsten Tag drehen wir um. Weitere 40 Meilen nach Norden zu fahren und dann die ganze Strecke zurück zu motoren, gelüstet niemanden. Der Wind macht sich einmal mehr rar, dafür herrscht herrliches Wetter. So enden wir in einer nahe gelegenen, eher offenen Bucht. Die flachen rolligen Wellen erschweren das Anlanden, doch wir lassen uns nicht einschüchtern. Trotz nasser Hosenbeine lohnt sich die anschliessende Entdeckungstour zur verlassenen Jagdhütte vollauf. Weiter südlich erwischen wir wieder Wind. Als er zunimmt, reffen wir das Gross. Dann zieht Nebel auf, der Wind wird stärker. Diesmal verkleinern wir nicht nur das Gross, wir wechseln auch aufs Stagsegel. Es bläst mit 40 Knoten – eigentlich Zeit, um in einen Fjord zu flüchten und abzuwettern. Doch die Crew entscheidet sich dafür, die 20 Meilen bis ums Kap zu meistern. Nach einer gefühlten Ewigkeit mühsame Stampfens biegen wir ab in den Sund nach Ittoqqortoormiit, und kurz darauf verschwinden Nebel und Wind. Vor Anker und bereits im Schlafanzug, kommt die nächste Aufregung: Feuerwerk über dem Dorf! Ittoqqortoormiit feiert sein 50jähriges Bestehen. Endlich in der Koje, weckt mich die klagende Grossschot. Um dem Lärm ein Ende zu machen, gehe ich nach draussen – und sehe einen Himmel voll von grünem Licht. Ein lautes «Wow» entfährt mir, und bald steht die ganze Crew an Deck. Dann wird es weniger romantisch. Dunkle Wolken, Wind auf die Nase, das Schiff stampft beim Aufkreuzen, der Eimer macht die Runde. So bringen wir die «Passage» langsam nach Süden, von wo wir uns einen besseren Winkel für die Überfahrt nach Island erhoffen. Im Morgengrauen steuern die wenigen Überlebenden das Boot gekonnt in einen untiefen, aber geschützten Fjord hinein. Wir erholen uns von den Strapazen und würden gerne noch zu den nahe gelegenen heissen Quellen fahren. Ob wir die innere Passage schaffen? Vorsichtig tasten wir uns zwischen Insel und Festland vor. Doch unsere Vorsicht reicht nicht: Die «Passage» läuft heftig auf Grund. Strömung und Wind helfen uns nicht, frei zu kommen. Nach mehreren Drohnenflügen, Manövern mit beiden Ankern, immer neuen Schlachtplänen und vier Stunden Arbeit gelingt es uns, den Rumpf in die richtige Richtung zu drehen. Endlich ist der Kiel wieder frei. Die heissen Quellen lassen wir alleine vor sich hindampfen und tuckern zurück zum Ankerplatz. Am Morgen geht’s los. Noch bläst es mit 20 Knoten, jedoch abnehmend. Wir können einen schnellen Amwindkurs anlegen, zudem haben wir ja jetzt Übung. Zur Mitte der Danmark Strait hin wird die Fahrt immer angenehmer und schneller; nach 24 Stunden haben wir die Hälfte der Strecke geschafft. Kurz schläft der Wind ein und dreht dann um 90 Grad. Weiter geht’s auf dem anderen Bug. Bei Sonnenuntergang erreichen wir die Mündung des Fjords, setzen für eine halbe Stunde noch Code Zero und schiessen kitschige Fotos. Dann macht sich bald wieder grünes Licht am Himmel breit. Bei Vollmond kreuzen wir in den Fjord hinein, und Volvo stösst uns noch die letzten Meilen bis nach Akureyri. Von Leonie Schmid und Michael T. Ganz. Kaum ist die neue Crew an Bord, hissen wir die Segel. Wir erreichen Ittoqqortoormiit in der Abenddämmerung. Im Dorf gehen die ersten Lichter an; seit wenigen Tagen wird es hier im Norden für kurze Zeit wieder Nacht. Am Morgen erkunden wir das Dorf, kaufen ein und füllen die Dieseltanks. Eine letzte Dusche noch, dann geht es los in den Scoresby Sund. Unser Ziel ist es, Milne Land zu umrunden. Die Eissituation sieht vorerst mal gut aus, sie kann sich aber jederzeit ändern. Auf Amwindkurs kommen wir gut voran. Gegen Abend nimmt der Wind ab und schläft schliesslich ein. Doch die Windrichtung hat bereits für uns entschieden: Wir drehen die Runde im Uhrzeigersinn. Pünktlich zum Morgengrauen erreichen wir nach 100 Meilen Fahrt das Ostende der Insel und kurven durch die schmale Passage in den Foehn Fjord hinein. Links und rechts ragen spitze schwarze Berge in den Himmel. Die Südseite ist steil und schroff und voller Gletscher, die Nordseite eher rund geschliffen mit kleinen braunen Flecken: grasende Moschusochsen, wie wir beim näheren Hinschauen entdecken. Zum Ankern fällt der Grund zu steil ab, doch mit den Landleinen schaffen wir uns einen Liegeplatz. Die Bucht bietet einen grossartigen Rundblick. Während unserem Landgang entwickelt sich ein mittelstarker auflandiger Wind. Ich beobachte den Kurs der Eisberge und hoffe, dass der Wind mit dem Sonnenuntergang abflaut. Doch kaum haben wir uns schlafen gelegt, nimmt der Wind zu. Es ist klar: Wir müssen weg. Das ist aber gar nicht so einfach, denn das Lösen der Landleinen heisst Auflaufen. Mit Hilfe des zweiten Ankers ziehen wir uns heraus. Wir sind noch mitten im Manöver, als ein stattlicher Eisberg uns begrüsst. Glücklicherweise läuft er einige Meter vor uns auf Grund. Endlich sind alle Leinen los, wir steuern um den weissen Koloss herum – und geraten aus dem Windschatten in 40 Knoten Fallwind, der vom Eispanzer herunter bläst. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als mobil zu bleiben, und so motoren wir gegen den Wind unserem Ziel entgegen. Wir sind alle noch viel zu aufgeregt und müde, um ans Segeln zu denken. Allmählich nimmt der Wind ab, die Eisdecke dafür stetig zu. Sie stammt von drei Gletschern, die hier ins Meer kalben und die Durchfahrt häufig unpassierbar machen. Am Ende des Foehn Fjords drehen wir auf Nord, setzen die Genua und schlängeln uns konzentriert durchs Eis. Die Berge verändern sich: Erst sind sie rund und rot – vermutlich Sandstein –, dann zackig und bunt. Das Tagesziel ist Rypefjord. Auf dem Weg machen wir noch einen Abstecher an einen Gletscherabbruch und erleben mit, wie Eis ins Meer stürzt. Dann weren wir den Anker in flachem Wasser, geniessen den Abend und erholen uns vom langen und aufregenden Tag. Am Morgen danach: rotes Licht, bunte Berge, weisses Eis im dunklen Wasser, grasende Moschusochsen und ein herbstlicher Duft – der Ort hat etwas Magisches. Robben schauen uns von ihren Eisschollen zu, als wir den Anker lichten und losfahren. Im Schmetterling segeln wir solange möglich den Fjord hinunter, erneut an spitzen hohen Bergen vorbei. Als der Wind abflaut, packt mich die Lust am Basteln: Um das Hochsteigen aus dem Dinghy zu erleichtern, baue ich ein Leiterli. Wir hängen es ans Ende des Baums – reinsitzen und los übers Wasser. Fast die ganze Crew probiert die Neuerung aus und hat Spass daran. Das Leiterli hat den Test bestanden. Wir ankern in Jittyhaven. Ich setze mich ins Kayak, paddle zu einem kleinen Eisberg und nehme ihn ins Schlepptau. Mit Janniks Hilfe und viel Schweiss schaffe ich es, den weissen Klotz zur «Passage» zu ziehen und Eis für unsere Sundowners abzuschlagen. Am Morgen scheint die Sonne, und wir waschen den Schweiss vom gestrigen Eisberge-Bändigen im Fjordwasser ab. Jannik schafft es sogar, unseren Eisberg (wir haben ihn über Nacht am Schiff festgebunden) zu besteigen. Dann machen wir die «Passage» flott und segeln zurück zum Flughafen. Von Leonie Schmid und Michael T. Ganz. Diesmal liegen wir am grossen Pier, wo jeweils das Versorgungsschiff anlegt. Doch das Versorgungsschiff ist, wie wir erfahren, seit über einer Woche in Island blockiert. Das ist einerseits schön für uns, denn so können wir am Pier bleiben. Anderseits fehlen im Supermarkt die Frischwaren. Auch empfangen wir seit einer Woche keine aktuellen Eiskarten mehr. Hilfe kommt diesmal aus der fernen Schweiz: Jonas und Pascal liefern mir Satellitenbilder, die sogar noch detaillierter sind als die offiziellen Karten. Es kann also wieder losgehen. Vor flottem achterlichem Wind – einem thermischen Wind, wie ich ihn nun öfters beobachte – segeln wir in den Fjord hinaus und hoffen auf möglichst lockeres Eis am nordöstlichen Ausgang des Fjordsystems. Am Pier von Kungmuit können wir nicht anlegen; der wunderbare Segelwind macht zuviele Wellen. In einer nahen Bucht finden wir einen Ankerplatz präzise an der Windkante. Mal bläst er und zerrt an der Kette, mal lässt uns der Wind in Ruhe. Von Kungmuit kreuzen wir den Fjord in östlicher Richtung zu einem langen Gletscherabbruch, das Wasser ist von Eis gespickt. Dicker Nebel mischt sich mit der tiefstehenden Sonne – ein mystischer Anblick. Die Ausfahrt aus dem Fjord ist noch immer voller Eis, doch für morgen versprechen die Satellitenbilder Besserung. Wir verbringen die Nacht in einer ruhigen und eisfreien Bucht. Nochmals die Verhältnisse checken: Angesagt ist wenig Wind aus Süd, und wir müssen 30 Meilen von der Küste weg, da ein nicht passierbarer Eisgürtel soweit hinausragt. So machen wir uns denn am Morgen auf den 200 Meilen langen Weg nach Norden zum Kangerlussaq-Fjord. Da die wenigen Ankerplätze entlang unserer Route voller Eis sind, geht es in einem Schlag hoch. Wir schlängeln uns in die nahezu eisfreie Denmark Strait hinaus. Der Wind lässt zu wünschen übrig, die meiste Zeit brummt der Motor, hin und wieder hilft Code Zero etwas mit. Egal, der Blick auf die vorbeiziehende Küste ist atemberaubend. Sonnenuntergang und Sonnenaufgang tauchen die schwarzen Berge und die weissen Gletscher in ein fast schon kitschiges Licht. Des Motorens und Stampfens müde, halten wir schliesslich auf eine Insel mit einer verlassenen Forschungsstation zu. Der Ankerplatz ist wellig, dennoch geniessen wir die Aussicht auf die kilometerlangen Gletscher – und vor allem die Ruhe. Am nächsten Tag kurven wir um Abertausende von Growlers Richtung Fjordeingang. Die Eismenge nimmt von Meile zu Meile zu, der Nebel leider auch. Mit Radar, GPS und Ausguck im Bug tasten wir uns in eine enge Bucht hinein, die wir uns mit ein paar wenigen Growlers teilen. Mitten in der Nacht rupft etwas an unseren gut verspannten Landleinen: Ein paar Growlers haben sich darin verfangen. Ein kurzer gemeinsamer Kraftakt löst das Problem, und wir können weiterschlafen. Am Morgen herrscht immer noch dichter Nebel. Der Versuch, den Fjord noch etwas weiter zu erkunden, misslingt – ausser Nebel und Eis ist kaum etwas zu sehen. Als der Wind allmählich abnimmt, werfen wir einmal mehr den Motor an und versuchen, gegen den Wind weiter nach Norden zu kommen. Lange halten wir das ermüdende Stampfen aber nicht aus. In einer eisgefüllten Bucht werfen wir den Anker, um hier die Nacht zu verbringen. Auch wenn dies bedeutet, dass pausenlos jemand an Deck wachen und die grösseren Growlers vom Rumpf – oder besser umgekehrt: den Rumpf von den Growlers – wegdrücken muss. Eine mühsame Sache. Am frühen Morgen wird es uns zuviel. Wir holen den Anker ein und tuckern, bis es Tag wird, im Fjord herum. Die Wind- und Wetterprognosen sind nicht viel besser als am Vortag, doch Hierbleiben und Abwarten ist auch keine Option. Im Lauf des Tags nimmt der Wind ab. Wir hissen den Code Zero, bis er zu schlagen beginnt und wir wieder die Maschine bemühen müssen. So erreichen wir den Rømer Fjord. Ein besonderes Guide Book verspricht uns, hier warme Quellen anzutreffen. Englische SeglerInnen, denen wir in Tasiilaq begegnet sind, haben diesen Grönlandführer über die Jahre selber zusammengestellt. Die Quellen am Rømer Fjord sind nicht mit jenen von Island zu vergleichen. Doch der Boden dampft, und für zweiundzwanzig Füsse reicht die Hitze alleweil. Und wer es wagt, auf dem glibbrigen Boden ins knietiefe Wasser zu steigen, kann sich tatsächlich am ganzen Körper aufwärmen. Auch fürs Auge bieten die Quellen einiges: Während die Natur sonst überaus karg daherkommt, wachsen am Quellenrand üppiges grünes Moos und kleine bunte Blumen. Der nächste Halt ist Ittoqqortoormiit, das nördlichste Inuitdorf an Grönlands Ostküste. Da uns Essen und Diesel langsam ausgehen, gehen wir einkaufen. Auch hier ist die Auswahl nicht gerade gross, auch wenn ein Schiff aus Island soeben eine paar Frischwaren auslädt. Einmal mehr hilft die ferne Schweiz: In der Home Base sorgt Pascal dafür, dass die neue Crew einen Grossteil der Nahrungsmittel einfliegt – was offenbar kein Problem darstellt. Nach dem Einkauf im Minimarkt geht’s im Community House unter die Dusche. Es bleiben fünf Tage bis zum Crewwechsel beim nahe gelegenen Flugplatz. Zeit genug, um noch in den Scoresby-Sund zu stechen. Der Fjord ist riesig, die Eisberge sind es auch. Hier sind wir auf sichere Ankerplätze angewiesen. Bei Bear Island werden wir fündig und geniessen die absolute Ruhe auf dem Schiff und an Land. Wir erkunden einsame Buchten und Inseln und bestaunen Gletscher und Eisformationen. Alles scheint perfekt. Bis uns der letzte Tag dann doch noch eine böse Überraschung bringt. Erst kommen wir flott unter Segel voran, dann schläft der Wind ein. Nun denn, Motor an! Doch nach kurzer Zeit stottert er und verstummt. Die Fehlersuche dauert nicht lange: Der Treibstofffilter ist verstopft, ich diagnostiziere Dieselpest. Wir stellen auf den zweiten Filter um, der Motor beginnt wieder zu brummen. Und glücklicherweise kommt nun auch der Wind zurück und bläst uns von Achtern her direkt zum Ziel. Von Leonie Schmid und Michael T. Ganz. Nach dem Grosseinkauf im spärlich bestückten Supermarkt von Tasiilaq geht es in die Fjordlandschaft hinein. Einmal mehr umsegeln und bewundern wir die noch immer imposanten Eisberge. Wir ankern in einer nahen Bucht und gehen an Land. Wie in Ostgrönland üblich, nehmen wir unser Gewehr mit. Es könnte ja sein, dass ein hungriger Eisbär unseren Weg kreuzt. Damit jede und jeder von uns auch mal einzeln auf Landgang gehen kann, absolvieren wir ein kleines Schiesstraining. Laura – sie ist Forstwirtin und hat Jagderfahrung – erteilt uns Instruktionen. Die Crew ist klein: Gerade mal fünf Kugeln fliegen in ein dickes Eisfeld. Dann geht es weiter Richtung Tiniteqilaaq. Im Sermilik-Fjord ziehen wie immer riesige Eisblöcke zum offenen Meer hin, was die kleine Ortschaft zu einer meiner Favoritinnen macht. Morgen wollen wir dort festmachen und hoffen nun, dass die Route durch den Fjord eisfrei bleibt – nicht wie letzte Woche. Wir haben Glück. Erst segeln, dann motoren wir auf den Gletscher zu. Die Eisschicht wird immer dichter, die Fahrt immer anstrengender. Endlich erreichen wir eine Bucht, in der wir ankern können. Gegen Abend dann beginnt es am Rumpf zu knistern und zu rumpeln. Durch die Strömung hat sich das Wasser um uns herum mit Tausenden von Eisscherben gefüllt, die wir zuvor auf der anderen Seite der Bucht gesichtet haben. Da keine grösseren Eisberge in Anmarsch sind, können wir das Schau- und Hörspiel in Ruhe geniessen. Unser nächstes Ziel ist der Kejser Franz Josef-Fjord, den man uns sehr empfohlen hat. Die unsteten Windverhältnisse zwingen uns, die Segel ständig zu wechseln. In einer ruhigen Bucht gehen wir vor Anker. Der Fjord ist gesäumt von Gletschern, die vom Inlandeis her ins Wasser ragen, steil und zwischen schroffen schwarzen Felsen. Wir schaffen es allerdings nicht bis ganz ans Fjordende, zu dicht ist hier das Eis. Immerhin bahnen wir uns einen Weg bis nahe an einen der Abbrüche heran – ein unbeschreibliches Bild. Wir können uns kaum sattsehen. Die Suche nach einem Ankerplatz gestaltet sich nicht einfach. Auf der Karte finden wir eine Bucht mit zwei schmalen Einfahrten, die uns ideal scheint. In den nautischen Büchern ist sie zwar nirgends zu finden, dennoch wollen wir es wagen. Mit einem halben Meter Wasser unter dem Kiel gelingt uns die Einfahrt. Aber wo ankern? Der Grund ist entweder sehr steil oder von Felsen gespickt. Schliesslich hält der Anker doch. Die drei Frauen der Crew erklimmen einen nahen Berg, während mein Bruder und ich im Kajak die Bucht erkunden. Kaum fühlen wir uns mal so richtig allein und als Entdecker, taucht ein anderes Segelboot auf… Die Woche ist schon fast vorbei; es geht zurück nach Tasiilaq. In den letzten Tagen hat sich der Eisteppich etwas geöffnet, wodurch es möglich ist, die direktere Route aussendurch zu nehmen. Allerdings: Das ganze Eis scheint nach Tasiilaq getrieben zu sein. Wir legen an drei anderen Schiffen an und beginnen bald damit, Eisberge vom Rumpf wegzustossen. Ein Inuit kommt uns zu Hilfe und drückt mit seinem kleinen Motorboot die grössten Exemplare zur Seite. Er erntet viel Jubel und Beifall. Doch das Eis treibt unaufhörlich weiter in den Hafen; irgendwann geben wir den Kampf auf, legen ab und gehen weiter draussen vor Anker. Erst als die Tide wechselt und die Strömung kehrt, können wir wieder festmachen. Von Leonie Schmid und Walter Rüegg. Ein kühler Wind bläst uns ins Gesicht als wir über den, aus grossen Betonquadern bestehenden Steg, auf die Passage zu gehen. Dort steht sie, dreckiger als ich sie vom letzten Mal in Erinnerung hatte, aber immer noch genauso schön. Elegant liegt sie mit ihren schmalen Linien fest vertäut im Hafen. Zwei Tage vor unserer Anreise ist ein Sturm über Akureyri hinweggefegt und hat Leonie, welche alleine auf das Schiff aufpassen musste, um den Schlaf gebracht. Heute ist der Wind, ausser dass er uns hitzeverwöhnten Schweizer bis auf die Knochen auskühlt, harmlos. Gegen den kühlen Wind machen wir, was in Island jeder macht und was auch unser Programm für die nächsten Tage bleiben wird. Wir gehen ins lokale Bad. Im heissen Pool oder in der Sauna ist die Kälte sofort vergessen. Aber egal wie sehr wir den isländischen Lebensstil schätzen, so wollen wir doch unbedingt nach Grönland kommen, und so machen wir uns am nächsten Morgen auf den Weg. Der erste Schlag führt uns bei gemütlichem Vorwind und perfekt flachem Wasser aus dem Fjord nach Siglufördur am Ausgang des Fjords, welches uns der Absprungpunkt für die nächsten 150 Meilen nach Isafjördur in den Westfjorden sein soll. Fürs Bad sind wir leider zu spät, aber einen schönen Spaziergang lassen wir uns trotzdem nicht nehmen. Dann, am nächsten Tag, der erste lange Schlag durch die Nacht. Was als perfekter Segelnachmittag mit kaum Welle, perfektem Wind und dem Code Zero beginnt, endet in einem wilden Ritt auf einer spitzen kurzen Welle bei gut 30 Knoten, welche sich erst beruhigen, als wir in den Fjord nach Isafjördur eindrehen. Nicht jeder verdaut das zarte Lamm und die leckeren Ofenkartoffeln gleich gut. Der grösste Teil der Crew und auch Leonie haben nicht gerade gut geschlafen und so sind wir froh, lässt das Wetter den sofortigen Aufbruch nach Grönland noch nicht zu. Einerseits müssen wir noch einige Tage auf ein Windfenster warten und andererseits sieht auch die Eissituation in Grönland noch alles andere als gut aus. Neben uns am Pier parkiert ein englisches Segelschiff, welches gerade von Tasiilaq zurückgekehrt ist, weil sie keinen Durchgang durchs Eis finden konnten und umdrehen mussten. Auch die aktuellen Eiskarten der Region sehen nicht sehr vielversprechend aus, obwohl sich in den letzten 5 Tagen schon viel getan hat. Das gibt uns natürlich Hoffnung, wenn es die nächsten Tage so weitergeht, könnte sich schon in Kürze eine Passage durchs Seeeis auftun und uns ermöglichen, in die schon fast eisfreien Fjorde rein zu segeln. In den nächsten Tagen erkunden wir die wunderbare Fjordlandschaft im Nordwesten von Island und lassen uns von den üppig grünen Hügeln, den schroffen Felswänden und der Einsamkeit bezaubern. Und dann, zwei Tage später, sieht alles perfekt aus. Die nächsten 48 Stunden ist ein schöner Wind aus Nordost angesagt. Wenn wir unsere Route geschickt wählen, und zu Beginn leicht nördlich segeln, müssten wir bei sehr guten Bedingungen bis fast an die Grönländische Küste segeln können. Dabei müssten wir wohl die letzten paar Meilen noch unter Motor zurücklegen. Das behaupten zumindest die Vorhersagemodelle. Dazu kommt, dass auch die neuste Eiskarte vielversprechend aussieht und die Wahrscheinlichkeit eine Passage durch das Eis zu finden relativ hoch ist. Also setzen wir unsere Segel und stechen in See. Knapp zwei unspektakuläre Tage später sehen wir, wie sich am Horizont scharfzackige dunkle Umrisse vor dem Morgenrot abheben: Die zerklüftete Ostküste von Grönland ist in Sicht. Leider nimmt auch der Wind immer stärker ab. Wir setzen noch den Code Zero und fahren einige Stunden so weiter, doch kurz nach dem gemeinsamen Morgenessen bringt auch dies nichts mehr. Von da an begleitet uns das monotone Brummen des Motors auf unserer Reise entlang von imposanten Eisbergen und durch Felder von Eisschollen. Laut der aktuellsten Eiskarte sieht es aus, als wäre das Eis rund 20 nm südwestlich von Tasiilaq am wenigsten dicht. Dort angekommen, müssen wir jedoch bald feststellen, dass die Eisschollen in einem rund 500 Meter breiten Gürtel dicht beisammen liegen und ein Durchkommen nicht sehr realistisch und auch gefährlich wäre. So bleibt uns nichts anderes übrig, als der Eiskante entlang zu fahren und nach einem Durchgang zu suchen. Wir sind gerade dabei, einen langen Umweg zurückzufahren, nachdem wir in eine Sackgasse geraten sind, als wir plötzlich ein Schiff auf dem AIS sehen, welches Tasiilaq ansteuert. Sofort nehmen wir Funkkontakt auf. Was wir 10 Minuten später mit Sicherheit wissen: für 70 Meter lange Versorgungsschiffe ist Tasiilaq problemlos anlaufbar. Ob dies auch auf uns zutrifft, erfahren wir erst kurz vor Mitternacht als wir zwischen Eisbergen hindurch vorsichtig in den natürlichen Hafen von Tasiilaq steuern. Wir haben es also geschafft. Am nächsten Morgen müssen wir früh weiter, weil wir am viel zu grossen Versorgungsschiff festmachen mussten und diese mit dem Ent- und Beladen anfängt und dafür den Kran benötigt, welcher mit unserem Mast in die Quere kommen würde. Für uns bedeutet die eine weitere wunderbare Fahrt durch das grönländische Eis, einen Zwischenhalt auf einer Eisscholle, um ein Bad in einer Süsswasserpfütze zu nehmen und eine einsame Bucht für die nächste Nacht. Wir blasen die Kajaks auf und packen die Wanderschuhe aus, denn endlich können wir Grönland entdecken gehen. Die folgenden Tage sind von herrlichem Fjord Segeln, Wandern, gutem Essen und der ein oder anderen Kajaktour geprägt. In einer Bucht schleppen wir mit dem Kajak einen Eisberg bis ans Boot, um Eis für unsere Drinks zu haben. Im kleinen Dorf gibt es in einem der farbigen Häuser einen Supermarkt mit frischem Gemüse und sogar Glace. Leider geht auch der beste Segelurlaub irgendwann zu Ende und so machen wir uns auf, zurück nach Tasiilaq. Dort angekommen, merken wir, dass gerade das grösste Ereignis des Jahres im Gange ist: Es ist der Final der lokalen Fussballmeisterschaft. Auf dem Platz stehen Mannschaften aus allen nahegelegenen Dörfern (also insgesamt vier) und kämpfen um den Pokal. Dabei wird für die Frauen und Jugend Mannschaft genauso gejubelt wie für die Herren und die „Alten“. Am Ende gewinnt fast jedes Dorf in einer der Kategorien. Und sowieso scheinen sich nach einem Match alle zu freuen, egal wer eigentlich gewonnen hat. Wir unternehmen noch eine letzte Wanderung, bevor wir am nächsten Tag schweren Herzens in den Helikopter steigen und zurück nach Hause fliegen. Von Leonie Schmid und Walter Rüegg. Zwei der neuen Crewmitglieder sind pünktlich auf dem Schiff eingetroffen. Von den andern wurde ich am Vorabend informiert, dass ihre Flüge gecancelt wurden und sie umbuchen mussten. Am Abend telefonierten sie, sie seien jetzt gelandet, aber leider ohne Gepäck. Nach kurzem Hin und Her nahmen sie ein Taxi zu uns. Auf dem Schiff gab’s noch Schlafsäcke und wir kleideten sie ein, so gut es eben ging. Ein super Wetterfenster über Island drängte uns sofort abzureisen und der Hafenmeister versprach uns das Gepäck per Bus nach Norden nachzusenden. Die Prognosen sind aber nicht immer zu gebrauchen und wir tümpelten schon bald mit gemütlichen 3 nm zur kleinen, vorgelagerten Insel Nólsoy. Nach dem Mittagessen ging es auf Erkundigungstour und zum Fischen – beides mit Erfolg. Die einen hatten eine Bar mit Live-Musik gefunden und die andern vier Fische rausgezogen. Wir hatten an einem Fischkutter festgemacht und da meinte der Fischer, dass vier kleine Fische zu wenig seien und bald kam er mit Schnecken, einer Krabbe und einem grossen Dorsch daher. Inzwischen war das Gepäck angekommen und wir motorten kurzerhand wieder zurück nach Tórshavn. Begleitet von Soni, dem Hafenmeister, dem unser Boot gut gefiel, machten wir uns endlich auf den Weg nach Norden. Zu Beginn lief es etwas harzig gegen den Strom, bei wenig Wind und Nebel. Doch dann frischte es auf und wir segelten bis Hvannasund. Für den nächsten Tag war geplant, an die Nordspitze der Färöer zu segeln, der Wind schien zu passen – nur die Wellen bereiteten uns Sorgen. Auch diesmal war auf die Prognosen kein Verlass: Der Wind war weg, nur die Wellen blieben und so warteten wir. Wieder wurde gefischt – diesmal mit weniger Glück. Zum Nachtessen gab es dann köstlich zubereitete Miesmuscheln und gepflücktes Seegras. Am nächsten Morgen schien ausnahmsweise die Sonne und wir legten nach einem guten Frühstück frohen Mutes ab. Kaum aus dem Fjord kam wieder Nebel auf, der Wind blies uns aber zügig in die richtige Richtung. Nach 48 Stunden auf offenem Meer lichtete sich der Nebel und wir sahen die Küste Islands. Am frühen Nachmittag legten wir in Raufarhöfn an und nahmen Kontakt zum Zoll auf. Zu unserem Glück lehnte es der Zöllner ab, die 5-stündige Fahrt zu uns zu machen und wir waren frei. Wir gingen ins Schwimmbad, sprangen und johlten auf dem Bubble-Trampolin, tauchten ins wohlige, warme Wasser und ruhten in der Sauna, bis das Bad schloss. Frisch und sauber liessen wir uns im einzigen Restaurant des Dorfes bekochen und später ins unsere Betten fallen. Am Morgen versuchten wir den restlichen Wind zu nutzen, doch nach halber Strecke mit Code Zero mussten wir den Motor starten. Plötzlich sahen wir die Nebelfontänen von Walen! Sofort drehten wir um und beobachteten vier Buckelwale beim Fressen, später schwammen sie paarweise nahe am Boot vorbei und zeigten beim Abtauchen majesätisch ihre Fluke, die Schwanzflosse. Nach einiger Zeit verliessen sie uns und wir reisten weiter nach Grimsey, die Insel auf dem Polarkreis. Die Insel blieb uns im Nebel verborgen, aber im Wasser tummelten sich unendlich viele Papageientaucher und andere Seevögel. Die Crew nutzte die ruhige See, um ein wunderbares Drei-Gang-Menü zum Abschied zu kochen. Von Leonie Schmid und Walter Rüegg. Raus aus dem geschützten Hafen empfing uns der abklingende Sturm «Alex» kurz mit einer Regenböe von 30 kn. So ging der Tag weiter, mal Sonne, mal Regen und Wind von 10 bis 30 kn. Wir kreuzten mal schnell, mal langsam mit Stagsegeln und gerefftem Grosssegel durch den Sound of Mull nach Tobermory. Ähnlich ging es am nächsten Tag weiter mit Reffen und Ausreffen Richtung Loch Alsh. Mit 6 kn Strömung sausten wir regelrecht auf die Skye Brücke zu, welche wir trotz 5 m Spatzung mit Nervenkitzel passierten. Mit gleichem Speed ging es weiter zum schönsten Ankerplatz Schottlands, dem Archasaid Mhor auf Rona. Die Zufahrt durch die schroffen mit geschliffenem Stein und grasbedeckten Hänge war sehr spektakulär. Im Hafen von Stornoway genossen wir nochmals eine warme Dusche und feines Essen im Restaurant, bevor es am nächsten Morgen Richtung Färöer ging. Auch da blieb das Wetter unverändert und wir segelten am Wind aus der Bucht und konnten abdrehen bis zur Halse mit direktem Kurs auf die Färöer. Der Wind nahm ab und wir konnten ausreffen. Leider nahm der Wind weiter ab, eine scheinbar kurze Flaute zog sich in die Länge und wir starteten den Motor. Das Wasser wurde spiegelglatt, nur eine alte Dünung rollte uns noch vorwärts. Zu guter Letzt kam doch etwas Wind und mit gesetztem Grosssegel und dem Code Zero gelangten wir zur südlichsten Insel Suðuroy und legten an dem mit Pneus bespickten Pier an. Wir trafen auf einem Schweizer Boot alte Bekannte und der Hafenmeister kam auch vorbei, um Hallo zu sagen. Nach dem Wetter-Check war klar, dass wir hier mindestens für zwei Tage bleiben mussten. Die angesagten 45 kn beobachten wir lieber vom geschützten Hafen aus. Wir vertrieben den Tag mit einem Spaziergang zur Westseite der Insel, wo der Wind wehte und man kaum stehen konnte und die Wellen imposant an die Felsen klatschten. Am nächsten Morgen wurden wir von Sonnenstrahlen geweckt und sahen erstaunt, wie hoch die Berge um uns herum sind. Diese wollten wir natürlich erkunden und machten uns auf die Socken, um die Aussicht und die Sonne zu geniessen. Noch eine letzte Etappe vor Tórshavn: Der Wind blies uns geradewegs mit 35 kn aus dem Fjord. Kurz danach waren es noch 15 kn und ausreffen war angesagt, aber bald passierten wir mit 30 kn einen Fjord. So ging es mit Winddreher, Böen, reffen und ausreffen wie gewohnt weiter bis nach Tórshavn. So hatten wir nochmals richtig Action, bevor wir am einzigen und letzten Platz festmachen konnten und vom Hafenmeister super freundlich empfangen wurden. Er entpuppte sich als Schweizer, der auf einem schönen, alten Holzboot im Hafen wohnt. Er versorgte uns mit allen wichtigen Informationen zu Navigation, Wind, Wasser und dem Klatsch aus dem Dorf. So genossen wir noch einen letzten Abend zusammen als Crew in einer Bar und das emsige Treiben der Mittsommernacht. Von Leonie Schmid und Walter Rüegg. Kurz vor dem geplanten Auslaufen lag ein Crew Member auf der Bank und telefonierte mit ihrem Hausarzt. Sie hatte sich beim Runterspringen vom Boot verletzt und musste in die Notaufnahme gefahren werden. Drei Stunden später war der Muskelriss am Schienenbein ruhig gestellt und sie stand wieder mit Krücken auf dem Boot. Nicht gerade die ideale Voraussetzung für aktives Segeln, aber bei der Navigation konnte sie gute Hilfe leisten. Bei 15 bis 20 kn Wind fuhren wir aus dem Hafen Richtung Norden. Die Wellen waren allerdings höher und spitziger als gedacht und der Wind kam nördlicher als erwartet, folglich waren nach einer halben Stunde die Hälfte der Crew seekrank. Nach einem kurzen Zwischenhalt mit einer warmen Mahlzeit kam wieder Farbe in die Gesichter und wir konnten die 50 nm bis zum geplanten Ankerplatz durchsegeln. Auf der Grenzlinie von Irland und Nordirland wurden wir mit einem absolut wahnsinnigen Sonnenuntergang und ruhigstem Wasser versöhnt. Allerdings mussten wir die letzten 5 nm motoren und auf Grund des Tiefgangs war uns die Einfahrt in die Marina verwehrt, so legten wir an einem Fischerboot fest. Nach kurzem chaten mit dem Skipper vom Fischerboot erfuhren wir, dass sie morgens um 2 Uhr ablegen wollten, sofern der Motor bis dahin repariert werden konnte. Zu unserem Glück hatte der Mechaniker schon Feierabend. So konnten wir in Ruhe schlafen. Am Morgen war die See spiegelglatt und wir zogen optimistisch das Grosssegel hoch, später auch die Genua und als der Wind etwas rück drehte den Code Zero. Am folgenden Tag ging es rasant mit Wind und Strömung nach Port Ellen auf Isle of Islay. Nach der Besichtigung einer Brauerei bemerkten wir ein näherkommendes Sturmtief. Es waren 30 bis 45 kn angesagt, also Grund genug einen geschützten Hafen aufzusuchen. Oban lag zwar nicht in der optimalen Richtung, aber wir wagten es trotzdem und erlebten eine szenige Fahrt mit Super-Wind vorbei an grünen Hügeln und Bergen. In Oban erhielten wir einen gut geschützten Hafenplatz und konnten den Sturm getrost abwettern. Von Leonie Schmid und Walter Rüegg. Von Cowes ging es los zu den bekannten Needle Rocks. Bei wenig Wind kreuzten wir auf, doch bald schlief der Wind ganz ein. Nico nützte die Gelegenheit auf seiner Mandoline eine schöne Melodie zu spielen. Bald darauf packte auch Chrigi seine Gitarre aus und eine Jam Session begann. So segelten wir langsam aber stetig nach Swanage um zu ankern. Während der Nacht ging es weiter nach Falmouth. Der Wind kam leicht ablandig gegen uns. So kreuzten wir möglichst entlang der Küste, um die Wellenabdeckung zu nutzen. Gegen Morgen wurden wir von Delfinen begrüsst. Pünktlich zum Nachtessen legten wir in Falmouth an und genossen Fish and Chips im Restaurant. An nächsten Morgen segelten wir mit gerefften Segeln einmal mehr gegen den Wind weiter nach Newport zur englischen Version von St. Michel. Wir konnten an einem grösseren Fischerboot anlegen und erlebten eine super freundliche Einweisung vom Hafenmeister in den Fischerhafen, sahen Robben bei perfektem Fotolicht und erhielten frischen Fisch zum Nachtessen. Wir entschieden uns schweren Herzens die Isles of Scilly auszulassen und nutzten den angesagten Wind, um Richtung Norden zu segeln. Dafür wurden wir mit einer schnellen Fahrt von fast 20 kn belohnt. Delfine und zwei Wale begleiteten uns und zauberten ein Lachen auf die Gesichter der ganzen Crew. Beim Eindunkeln versuchten wir Funkkontakt zum Hafen von Milford aufzunehmen, nach mehreren Versuchen wurden wir zuletzt wegen Platzmangel abgewiesen und mussten 5 nm weiter den Fluss hochfahren. Schon nach dem ersten Telefonat wurde uns eine Box zugewiesen. Bei genauerer Kontrolle der Boxgrösse und der Wassertiefe auf Navionics wurde ich allerdings skeptisch. Zudem war bei Ankunftszeit noch Ebbe. Nach dreimaligem Nachfragen wurde uns zwar die nötige Tiefe bestätigt und doch liefen wir in der engen Einfahrt prompt auf Grund. Wir konnten uns selber retten und versuchten es 2 m daneben noch einmal. Diesmal klappte es mit einer Handbreite Wasser unter dem Kiel. Im Hafen drin wurden wir wieder gestoppt, denn die Tiefe reichte nicht an unseren zugewiesenen Platz zu gelangen. Zum Glück war längsseitig gerade noch ein Platz frei und der Hafenmeister half uns freundlich beim Andocken. Später entschuldigte er sich, dass er erst eine Woche in diesem Hafen arbeitete und die Grösse der SY Passage unterschätzt habe. Ende gut, alles gut, schliefen wir prächtig im ruhigen Hafen. Am nächsten Morgen war wieder Ebbe und der Platz zum Wenden extrem klein. So beeindruckten wir mit einem Dreh an Ort und Stelle. Voller Motivation segelten wir aus dem Fluss hinaus zur Insel Skomer vor der Küste von Wales. Bei slack tide wagten wir unter Segel die enge klippige Passage mit bis zu 8 kn Strömung als Abkürzung zu nehmen. Nach einigem Nervenkitzeln sahen wir schon bald die kleine Bucht mit den Mooringbojen und tausende fliegende Vögel. Beim Landen mit dem Dinghy wurden wir informiert, dass es von Puffins bis Eulen alles auf der Insel gebe. Der Gestank des Vogelkots wurde überlagert vom süssen Geschmack weisser Blumen. Über Nacht blieben wir an der Boje und beobachteten bis in den Sonnenuntergang die kreisenden Vögel. Am andern Tag erlebten wir wie gemein die Strömung sein kann. Wir segelten nahe an der Küste, doch bald kreuzten wir an Ort. Auch unter Motor versuchten wir erfolglos gegen die Strömung anzukommen und entschlossen uns nach Irland zu segeln, was uns mit einem Schlag super gelang. Früh am Morgen hissten wir den Anker und machten uns mit der Strömung und Gegenwind nach Arklow auf. Das Gleiche machten wir am nächsten Tag und kamen super schnell nach Dublin. Mit einem Guiness stiessen wir in einer der unzähligen Bars auf die tollen Tage an. Von Leonie Schmid und Walter Rüegg. Kaum auf der SY Passage konnte die Crew zeigen, was sie kann. Von Sint Annaland ging es gleich auf Kreuzkurs. Wir passierten drei Schleusen, vier Brücken, das Veerse Meer und den Kanal bis nach Vlissingen. Bei schönstem Sonnenuntergang legten wir an. Am Morgen ging es weiter in die Nordsee. Zuerst bei flauem Wind, später dann zügig bis nach Dunkerque. Am nächsten Tag ging es früh los. Alle waren motiviert gegen 30 kn aufzukreuzen. Nach ca. 20 Wenden konnten wir etwas verschnaufen und mit einem schönen Amwindkurs Richtung Dover segeln. Bald sahen wir die Cliffs von Dover in der Abenddämmerung. Nach einer ruhigen Nacht gelangten wir gegen 4 Uhr morgens an die Schleuse, die zum Sovereign Harbour führt und wurden vom Schleusenführer super freundlich wie alte Bekannte begrüsst. Ausgeruht, geduscht und in UK einklariert legten wir wieder ab, um noch den Abendwind zum nächsten Hafen zu nehmen. Auf flachem Wasser mit Code Zero tümpelten wir den weissen beleuchteten Klippen mit den klassischen Leuchttürmen entlang. Weiter ging es mit gutem Wind zum Chichester River. Noch knapp vor zu tiefer Tide segelten wir gegen 5 kn Strömung elegant mit 9 kn durch die Mündung und ankerten neben einer Sandbank. Am nächsten Tag lässt die Tide ein Auslaufen erst um 14 Uhr zu. Wir nutzten die Zeit, um Mann-über-Bord-Manöver zu üben und testeten, wie eine bewusstlose Person geborgen wird. Unter Anleitung von Heike, die das Ganze eine Woche zuvor in einem Training gelernt hat, klappte es einwandfrei. Wir erkannten aber auch, dass es bei stärkerem Wellengang wohl sehr schwierig sein wird. Zu guter Letzt gab es noch einen schönen Schlag nach Cowes. |
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