Segelverein MARE INCOGNITA
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zur zeit im Winterlager
in Sint Annaland

19.–29.07.2023: Inverness – Bergen

20/8/2023

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Von Pascal Keel (Skipper) und Michael T. Ganz (Rewriting). Crewwechsel sind immer auch ein wenig Stress. Es gilt, das Schiff wieder herzurichten, Esswaren und Getränke zu bunkern, die neue Crew einzuweisen, die Kojen zuzuteilen und sich vor allem kennen zu lernen. Letzteres finde ich spannend und geniesse es sehr. Hat sich die neue Crew an Bord eingerichtet, versuche ich stets, am nächsten Tag schon früh los zu segeln. Denn die Erwartungen der Crew sind gross, und ich möchte sie möglichst rasch erfüllen. Die Route wähle ich jedoch so, dass der erste Segeltag niemanden allzu sehr aus der Komfortzone bringt.
 
So starten wir die Etappe in Landabdeckung raumschots bis Wick. Wick zeichnet sich vor allem durch seinen überaus freundlichen Hafenmeister aus, sonst hat der Ort eher wenig zu bieten. Er ist jedoch ein perfekter Ausgangspunkt, um die Orkneys anzusteuern und den Pentland Firth zu durchqueren. Im Pentland Firth kann es bis zu 12 Knoten Strömung geben. Dass wir mit unseren 8 Knoten Fahrt nicht durch soviel Strom segeln wollen, ist logisch. Oft wird auch vergessen, dass starke Strömung ungemütliche, ja sogar gefährliche Wellen mit sich bringen kann.
 
Für uns ist deshalb klar: Wir müssen den Wechsel der Strömung abwarten. Der Plan funktioniert perfekt. Um 14 Uhr 20 stehen wir am Duncansby Head, zeitlich übereinstimmend mit dem Hochwasser von Dover. Die Überfahrt ist wie erwartet ruhig. Im Scapa Flow bleibt uns Zeit, die Theorie des Mann-über-Bord-Manövers aufzufrischen.
 
Für Samstag ist viel Sonne, aber kein Wind angesagt. So beschliessen wir spontan, einen ausgedehnten Landausflug von Stromness zum Ring of Brodgar zu unternehmen. Zurück in Stromness erleben wir den letzten Tag der lokalen «Shopping Week». Er gilt als verrücktester Tag des Jahres: Es finden Lauf- und Schwimmwettkämpfe statt, abends gibt’s Livemusik und einen Drag-Queen-Wettbewerb. Man müsse keine Drag Queen sein, um da mitzumachen, sagt uns ein Teilnehmer: Es gehe nur darum, einmal im Jahr die Regeln zu brechen. Wir geniessen die ausgelassene Stimmung bis tief in die Nacht.
 
Wer Party machen kann, kann auch rechtzeitig aufstehen – so unser Motto für den Sonntag. Ziel sind die Shetland Inseln. Um sechs Uhr heisst es Leinen los. Die Strömung vor der Stromness Bay ist schon von Weitem zu sehen. Anfangs schiebt der Diesel unser Schiff souverän durch das unruhige Wasser. Zwei Seemeilen ausserhalb des Hafens stoppen wir die Maschine und setzen Segel.
 
Zum ersten Mal sind die Bedingungen heute etwas rauer. Das macht sich auch bei einzelnen Crewmitgliedern bemerkbar. Nicht ganz unschuldig sind dabei wohl auch der festliche Vorabend und das damit verbundene Schlafmanko. Um das Leiden zu mindern und etwas mehr von den Orkneys zu sehen, beschliessen wir, Haffness Sound und North Sound mit Motorkraft zu durchqueren. Dies ermöglicht uns ein wellenloses Mittagessen und gute Einblicke in die Inselwelt, bevor wir dann aufs offene Meer hinausfahren.
 
20 Knoten Wind auf Amwindkurs sind zwar nicht die idealen Voraussetzungen für die Überfahrt nach Shetland, aber es klappt. Um 22 Uhr 30 liegen wir in der riesigen und menschenleeren Bay of Quendale, dem fast südlichsten Punkt des Shetland-Archipels, vor Anker.
 
Am Montag umrunden wir das Südkap von Shetland und staunen über die harten Lebensbedingungen, die auf diesen schroffen Felsen herrschen müssen. Doch fürs Auge ist die Landschaft einzigartig. Schon vor der Überfahrt haben wir erfahren, dass in Shetland das Tall Ships Race stattfinden wird und die Häfen deshalb voll sein werden. Der Hafenmeister von Lerwick erlaubt uns, für eine Nacht in dem noch leeren Hafenteil festzumachen, in dem die Tall Ships tags darauf erwartet werden und wo bereits die Festzelte stehen.
 
Um etwas zu reparieren, muss man es manchmal noch defekter machen, als es schon ist. Das ist unser Motto für den Abend in Lerwick. So zerstören wir schweren Herzens die schützende Plastikhülle unseres Heizungsschalters, um diesen unter Beizug von improvisiertem Crimpmaterial und der Opferung eines USB-Autostecker-Laders wieder gangbar zu machen.
 
Am Dienstag bläst der Wind noch zu stark, um nach Norwegen weiter zu segeln. Da wir aber unseren Hafenplatz in Lerwick räumen müssen und uns einen günstigeren Winkel für die morgige Überfahrt verschaffen wollen, segeln wir im Regendunst ein Stück Richtung Norden. In diesem mystischen Wetter kommen uns erste Tall Ships entgegen – es ist wie eine Zeitreise ins vorletzte Jahrhundert. Eines der teilnehmenden Schiffe, den schwedischen Gaffelschoner «Atene», können wir aus kürzerer Distanz bei Trainingsmanövern für die Regatta beobachten.
 
Die Ullsta Bay, unser Ziel für die Nacht, ist ein beliebtes Fischzuchtgebiet. Sowohl am Eingang als auch am Ende der Bucht liegen die Reusen dicht an dicht. Dank Niklas’ Adleraugen nehmen wir keine davon ins Schlepptau – vielen Dank, dass du das Seil im Wasser bemerkt hast! Noch am Abend bereiten wir die Überfahrt vor, teilen die Wachen ein und machen das vordere Schott dicht.
 
Am Mittwoch um zwei Uhr morgens brechen wir auf. Vorsichtig tasten wir uns um die Fischfarmen herum und hissen die Segel. Wir erwarten etwa 25 Knoten Wind mit Böen bis 35 Knoten, dies Halbwind bis Raumschot. Wir binden also zwei Reffs ins Grosssegel und setzen dafür die Genua 2 auf dem Furler. Es sind drei Meter hohe Wellen mit einer neunsekündigen Periode angesagt, die «Passage» wird ordentlich schaukeln. Daher die Idee, das Vorsegel auch vor dem Wind einrollen und uns auf diese Weise sehr schnell mit wenig Mannschaft aus einer Überbesegelung befreien zu können.
 
Der Wind bleibt ziemlich stetig, die Crew grösstenteils standhaft, nur die See ist wirklich rau. Das Steuern ist anspruchsvoll und anstrengend und lässt einem keine Sekunde Pause. So suchen wir als Kurs den besten Kompromiss zwischen Fahrgeschwindigkeit, Erträglichkeit der Wellen und Abstand zu den Bohrinseln.
 
Angenehmer wird es erst, als wir uns Norwegen nähern und das Meer schlagartig 300 bis 400 Meter tief wird. Da unser Log oft schöne 9 Knoten anzeigt und wir nicht im Dunkeln an der tollen Landschaft vorbei rauschen wollen, beschliessen wir, in der erstbesten Bucht Halt zu machen. Um ein Uhr nachts ankern wir nahe Hernar in den äusseren Inseln. Schon auf der Karte kommt mir die Bucht ziemlich klein und eher utopisch vor, in der Realität ist sie es tatsächlich, und auch die Radarpeilung macht sie nicht grösser.
 
Doch die Crew ist voller Energie. Während die einen über Zweitanker und Landleinen diskutieren, entdecken die anderen an Land und in perfekter Position einen grossen alleinstehenden Poller. Den Wettkampf gewinnt schliesslich die «Gruppe Dinghy», die das Beiboot in Rekordzeit aufbläst und zum Poller fährt, gegen die «Gruppe Lasso», die vergeblich versucht, Leinen zu werfen. Fest verzurrt geniessen wir unseren Ankerdrink.
 
Die Begrüssung, die uns Norwegen am Donnerstagmorgen bietet, könnte besser nicht sein: Das Wetter ist bombastisch, die Bucht wunderschön, der eine oder andere gönnt sich sogar einen Sprung ins klare Wasser. Dass die Wände steil und die Buchten tief sind und man bis auf wenige Meter ans Land heran fahren kann, ist für uns völlig neu. Glänzende Augen bringt denn auch die schmale Durchfahrt in das grosse innere Fahrwasser von Norwegen. Unser Logbuch bleibt nahezu leer, da wir alle nur Wetter und Landschaft geniessen. Am Abend legen wir am Besuchersteg des Supermarkts von Indre Arna an.
 
Hier laden wir am Freitagmorgen Jean-Marc ein; er wird die «Passage» auf ihrer nächsten Etappe skippern. Bei schwachen Winden kreuzen wir aus dem Fjord hinaus, um dann kurz vor Bergen noch das letzte bislang unbenutzte Segel, den Spinnaker, hervorzuholen. Es ist uns klar, dass sich die Mühe so kurz vor dem Ziel nicht wirklich lohnen würde. Doch die Mehrheit der Crew ist interessiert daran, den Spi wenigstens einmal zu setzen. Nach einer halben Stunde Vorarbeit ziehen wir die Wurst endlich hoch – allerdings herrscht nun absolute Windstille, sodass sich nicht einmal die Wolle ums Tuch löst.
 
Es braucht einen radikalen Kurswechsel und einiges an Geduld, damit sich der Spi bläht und wir die Kraft des Riesensegels spüren. Allerdings nur für fünf Minuten, denn das Spi zieht uns in die verkehrte Richtung und muss gleich wieder geborgen werden. Nach einer halben Stunde ist es wieder gut verpackt. Und eine weitere halbe Stunde später liegen wir schon im Hafen von Bergen, vorerst in einem Dreierpäckli, bis wir einen Platz an der Mole ergattern können. Mit einem guten Abendessen im Restaurant und einer Runde Billard beenden wir den Tag. Am nächsten Morgen heisst es von der «Passage» Abschied nehmen. Mein Dank an die Crew, es war eine schöne Zeit. Und für mich ist eines klar: Ich will wieder mal nach Norwegen!
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