Segelverein MARE INCOGNITA
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WinterPause Im Hafen von Sint Annaland

Reise ans Ende der Welt oder A Short Walk on the Quiet and sometimes Wild Side

21/8/2018

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Matterhorn, Grand Canyon, Ayer's Rock – sie alle sind spektakulär, aber zu Touristenattraktionen geworden. Sie zu besuchen, ist längst keine Reise ans Ende der Welt mehr. Dieses Schicksal wird auch die Eis- und Felslandschaft Grönlands ereilen. Der Jakobsgletscher in der westgrönländischen Diskobucht beispielsweise, der täglich 50 bis 70 Millionen Tonnen Eisberge produziert – Ungetüme, die mit der Strömung nach Süden treiben, jahrelang und oft so weit, dass sie einst Transatlantik-Liner wie die «Titanic» versenkten –, dieser Gletscher kalbt inzwischen nicht mehr in arktischer Stille vor sich hin, sondern tut dies unter scharfer Beobachtung. Sein kanonendonnerlautes Bersten und Krachen wird heute von unzähligen Handy-, Foto- und Videokameras festgehalten; das nahe Städtchen Ilulissat wird mehrmals täglich angeflogen.

Im April und Mai sind wir mit dem ehemaligen Whitbread-Racer «SY Passage» die norwegische Küste hochgekreuzt, haben in entlegenen Fjorden geankert und die vielgerühmten Lofoten besichtigt. Wunderschön – doch immer, wenn wir eine Huk passierten und sich der Blick auf die schmucken Häuschen am Ufer öffnete, wähnte ich mich am Greifensee mit Sicht auf die Agglomeration von Birmensdorf. Und dann – zwei Tage, nachdem wir von Tromsø mit wechselhaften Winden, die dauerndes Trimmen und Segelwechseln erforderten, Richtung Norden geglitten waren und sich die norwegische Küste schon längst im Dunst der Barentsee aufgelöst hatte – dann tauchte Bjornoya, die Bäreninsel, aus dem Nebel auf.  

Bjornoya liegt auf ungefähr 74° 30' Nord und 19° 00' Ost und damit etwa gleich hoch wie der nördlichste Punkt der Westpassage, die um die Nordspitze des amerikanischen Kontinents herum führt. Nüchtern betrachtet ist die Bäreninsel nichts Besonders: ein paar Felsklippen, die aus dem dunklen Meer ragen, von der Brandung zerfressen und von Abertausenden von Möven vollgemacht. Niemals wird ein Investor auf die Idee kommen, hier einen Hotelkasten hinzupflanzen.
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Und dennoch: Hat man alle Widrigkeiten der Barentsee – Baumstämme, die russischen Flössern entwischt sind; Buckel-Wale, die sich nicht die Mühe machen, einem Segelschiff auszuweichen; im Frühjahr vielleicht auch Growler, Eisbergstücke von der Grösse eines Autos und dem Gewicht eines Lastwagens –, hat man also diese Widrigkeiten durch eine glückliche Fügung umschifft und dabei nicht vergessen, den Himmel skeptisch im Auge zu behalten – denn die Barentsee als bevorzugte Schiffsautobahn wird von üblen Tiefs aus Island heimgesucht, und heute noch verschlingen die Weltmeere bekanntlich jede Woche zwei bis drei grosse Frachtschiffe –, wird man also wie wir von all dieser Unbill verschont und gleitet bei freundlichen Winden zu den Klängen von Hendrix’ «Rainy Day, Dream Away» mit einem Glas Single Malt in der Hand über die versunkenen Gebeine der Opfer jener Seeschlacht hinweg, die 1942 hier zwischen deutschen und britischen Kanonenschiffen stattfand…

…und dann taucht Bjornoya, die Bäreninsel, auf, einsam und verlassen, von Legenden umrankt, welche von Walfängern erzählen, die einst dort strandeten oder in den furchtbaren Winterstürmen der Barentsee zerschellten, Geschichten auch von einem jähzornigen Deutschen, der in den 30er Jahren die Insel besetzt hielt, Walrosstran einkochte und jedes Schiff, das in seinem Revier ankern wollte, mit der Flinte begrüsste – dann… ja, was dann? Wie soll man das Gefühl beschreiben, das sich beim Anblick Bjornoyas einstellt? Es ist vielleicht nicht ganz so stark wie das Gefühl des Junkies, der sich nach langem Darben endlich wieder einen Schuss setzt, doch eines ist man sich nun im Klaren: Birmensdorf ist weit weg. Die Bäreninsel ist das Tor zu einer anderen Welt – ob Himmel oder Hölle, das wird sich noch herausstellen.

Heute, zwei Monate später, kann ich sagen: Der Trip war beides. Die Hölle lasse ich vorerst einmal weg. Sie wird Thema eines späteren Blogs sein, in dem ich auch einige Episoden zum Besten geben wurde, die nicht zu meinem Ruhm gereichen. So zum Beispiel der Versuch, den 80. Breitengrad zu überqueren und auf diese Weise (zumindest für ein paar Tage) das nördlichste Segelboot der Welt zu sein – was uns zwar gelang, denn wir rauschten unter vollen Segeln mit neun Knoten Richtung Nordpol über die imaginäre, einzig auf dem GPS sichtbare Linie… aber wozu? Zum Aufschneiden, zuhause in Birmensdorf? Dort oben gab es nichts zu sehen. Wir hätten besser mehr Zeit in den nördlichen Fjorden von Spitzbergen verbracht. Oder wären noch weiter bis zur Packeisgrenze vorgestossen. Doch dazu reichte die Zeit nicht. Die Crewmitglieder hatten ihre Flüge gebucht, Job und Karriere warteten, und die Kleinen sehnten sich nach ihrem Papa oder ihrer Mama. Birmensdorf hatte uns im hohen Norden wieder eingeholt.
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